Die Welt, 23.12.99 Rot-Grün: Neue Regeln für Waffenexporte Michael Steiner: "Kompromiss mit Augenmaß" - Grüne hätten schärfere Einschränkungen befürwortet Von Wulf Schmiese Berlin - Die Beachtung der Menschenrechte soll künftig zum Maßstab dafür gemacht werden, ob deutsche Rüstungsgüter ins Ausland verkauft werden dürfen. Ein rot-grüner Vorbereitungsausschuss einigte sich darauf, diese Bedingung in die neuen Richtlinien für Rüstungsexporte aufzunehmen. Über den "Entwurf zur Überarbeitung der politischen Grundsätze für die Ausfuhr von Kriegswaffen und sonstige Rüstungsgüter" wird das Kabinett im Januar entscheiden, seine Umsetzung gilt als sicher. Der genaue Text soll jedoch so lange vertraulich bleiben, bis er dem Bundestag vorgelegt wird. Die neuen Richtlinien, die jene bestehenden aus dem Jahr 1982 ersetzen sollen, seien ein "Kompromiss mit Augenmaß", sagte der außenpolitische Berater des Bundeskanzlers, Michael Steiner. Er führte im Auftrag von Gerhard Schröder die Vorverhandlungen. Die Einigung mit den Bundestagsfraktionen von SPD und Grünen ermögliche eine eingeschränktere Rüstungspolitik, wie sie im Koalitionsvertrag angestrebt werde. Dennoch behalte die Bundesregierung aber einen Ermessensspielraum. Die Vorsitzende des Menschenrechtsausschusses des Bundestages, Claudia Roth (Grüne), schloss aus, dass es in Zukunft noch deutsche Rüstungsexporte in Staaten geben werde, gegen die "ein hinreichender Verdacht besteht, dass die Waffen zu interner Repression beziehungsweise systematischen Menschenrechtsverletzungen missbraucht werden". Steiner bestätigte, dass danach etwa die Türkei derzeit nicht beliefert werden dürfe. Bei der Prüfung dieser Frage berücksichtige die Regierung künftig nicht nur eigene Einschätzungen, sagte Roth, sondern auch die Berichte der Vereinten Nationen, der EU, der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa sowie internationaler Menschenrechtsorganisationen wie etwa Amnesty international. Auch wenn die Grünen sich noch schärfere Einschränkungen gewünscht hätten, könnten sie mit dem Ergebnis gut leben, sagte Roth. Auch der SPD-Abgeordnete Gernot Erler, der als stellvertretender Fraktionschef bei den wochenlangen Vorverhandlungen am Tisch saß, sprach von einem "echten Kompromiss", mit dem die SPD-Fraktion "sehr zufrieden" sein werde. Dem Entwurf nach wird die Welt bei Waffenlieferungen künftig nur noch in zwei Kategorien eingeteilt. Auf der einen Seite stehen die EU- und Nato-Partner sowie die Schweiz, Japan, Neuseeland und Australien. Diese Staaten werden - mit Ausnahme der Türkei - als unproblematische Kunden bewertet. Demgegenüber stehen alle anderen Länder, an die "nur in Ausnahmefällen" geliefert werden solle, so Steiner. Nach den neuen Richtlinien muss auch der Endverbleib des Geräts genau überprüft werden. Falls ein Land aus Deutschland bezogene Kriegswaffen ohne Einverständnis der Bundesregierung an Drittstaaten weitergibt, drohen Sanktionen. "Bis zur Beseitigung dieser Umstände" dürfe Deutschland dann keine deutschen Rüstungsgüter mehr an die betroffenen Staaten liefern. Ein Novum wird auch die Rolle des Bundestags in dieser Frage sein. Denn die Bundesregierung verpflichtet sich, das Parlament jährlich über die deutschen Rüstungsgeschäfte zu unterrichten. |