junge Welt, 28.12.1999 Selbstverteidigung mit Otto Innenminister: Asylpolitik trägt zum inneren Frieden bei. Kritik von Pro Asyl Erstmals hat Bundesinnenminister Otto Schily (SPD) öffentlich zu der Kritik an seiner Asylpolitik Stellung bezogen. In der Kölner Boulevardzeitung Express wies Schily Vorwürfe der Ausländerfeindlichkeit zurück. Ihm dies vorzuwerfen, sei »völliger Unsinn«, so der SPD- Politiker. Der Streit entzündete sich an Äußerungen Schilys Anfang November, wonach bei der Aufnahme von Asylsuchenden »die Grenzen der Belastbarkeit erreicht« seien. Die Ausländerbeauftragte der Bundesregierung, Marieluise Beck (Bündnis 90/Die Grünen), bezeichnete Schilys Äußerungen daraufhin als »Problem für die Sozialdemokratie«. Unterstützung erhielt Schily aus dem konservativen und rechten Lager. Trotz massiver Kritik in der Öffentichkeit verteidigte Schily sein Handeln nun im Zeitungsinterview und erklärte, es müsse eine »tabulose Diskussion über Zuwanderung möglich sein«. Die Asylrechtsreform, die zum 1. Januar in Kraft trete, sei ein »Beitrag zum inneren Frieden«. Nach der Reform des Staatsbürgerschaftsrechtes geht Schily zudem davon aus, daß bis zu 200 000 Ausländer der ersten Generation die deutsche Staatsbürgerschaft erwerben. Hinzu kämen bis zu 50 000 Kinder pro Jahr. Auf Kritik des Bundesinnenministers stieß hingegen der geplante europaweite Asylfonds. Das Vorhaben der europäischen Union sieht jährliche Zahlungen von Mitgliedsstaaten in Höhe von 30 Millionen Mark vor, wenn sie besonders wenige Asylsuchende aufnehmen. Schily erklärte, daß Deutschland in den Fonds einzahlen solle, obgleich es jetzt schon »die meisten Asylanten aufnimmt«. Deshalb müsse Zuwanderung »Grenzen gesetzt« und »gesteuert« werden. Im Büro der Bundesbeauftragten treffen solche Äußerungen auf Unverständnis. »Wir haben im kürzlich veröffentlichten Migrationsbericht klar dargelegt, daß Deutschland im Zeitraum von 1990 bis 1998 bei der Aufnahme von Asylsuchenden lediglich auf dem dritten Platz in Europa steht«, so ein Sprecher der Ausländerbeauftragten im Gespräch mit junge Welt. Schilys Zahlenspiele seien zur Untermauerung politischer Ziele unzulässig, denn schließlich müsse man die Aufnahmezahlen in Relation zur Bevölkerung sehen. Demnach stehen auf den ersten beiden Plätzen die Schweiz und Schweden. Die Fakten, auf die Schily seine Politik stützt, seien dann »nicht mehr so klar«. Der Sprecher der Flüchtlingsorganisation Pro Asyl, Heiko Kauffmann erklärte gegenüber junge Welt: »Im weltweiten Vergleich liegt Deutschland sogar noch weiter zurück«. Kauffmann kritisierte zudem, daß die Leistungen an Asylbewerber nicht an die gestiegenen Lebenshaltungskosten angepaßt werden, »obwohl dies nach Paragraph drei des Asylbewerberleistungsgesetzes geschehen müßte«. Der Sprecher der Organisation bezeichnete das als »entwürdigende Sonderbehandlung«. Durch die Ausgrenzung aus der allgemeinen sozialrechtlichen und medizinischen Versorgung fehle es den Flüchtlingsfamilien oft am Nötigsten. Auch das Fortbestehen des Arbeitsverbotes für Asylbewerber nach dem sogenannte Blüm-Erlaß aus dem Jahr 1997 und die aktuellen Initiativen der Länder Hessen und Baden- Württemberg stießen auf Kauffmanns Kritik. Diese Aspekte bewirkten eine weitere Verschärfung der Asylregelung und zielten auf eine weitere Ungleichbehandlung und Diskriminierung von Flüchtlingen ab. Mit diesem Urteil stimmte der Sprecher der Ausländerbeauftragten überein. Auch mit der Beibehaltung alter Richtlinien könne Politik gemacht werden, sagte er. Auch wenn der Blüm-Erlaß vorrangig Aufgabe von Arbeitsminister Riester sei, könne Schily doch zumindest intervenieren. Der Sprecher wies im Hinblick auf Schilys Äußerungen ebenso wie Heiko Kauffmann darauf hin, daß die Resultate der Asylpolitik »nicht nur aus dem neuen Staatsbürgerschaftsrecht« bestünden. Harald Neuber
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