Stuttgarter Zeitung, 28.12.1999 Demirel fordert wegen EU Milde für Öcalan Präsident der Türkei will Beitrittsverhandlungen nicht gefährden - Kurdische Sprache abgelehnt ANKARA (AP). Der türkische Präsident Süleyman Demirel hat das Landesparlament im Fall Öcalan auf ¸¸höchste Interessen der Türkei'' hingewiesen. Die Abgeordnetenversammlung entscheidet über die Vollstreckung des Todesurteils gegen den Kurdenführer. Eine Parlamentsentscheidung für die Todesstrafe könne das Bestreben des Landes auf eine baldige Mitgliedschaft in der Europäischen Union zurückwerfen, sagte Demirel am Samstag bei einer Pressekonferenz zum Jahresende. Er sprach sich in einem Zeitungsinterview jedoch dagegen aus, die kurdische Sprache wie von der EU gefordert im Fernsehen und in Schulen zuzulassen. Dies würde die Einheit der Türkei bedrohen. Es liege in türkischer Hand, die notwendigen demokratischen und wirtschaftlichen Richtlinien für die EU-Mitgliedschaft zu schaffen, erklärte Demirel. Brüssel hat der Türkei vor zwei Wochen den Status eines Beitrittskandidaten gewährt. Das Land bemüht sich seit 1963 um die Aufnahme in die Union. Die Mehrheit der türkischen Bevölkerung befürwortet die Hinrichtung Öcalans, da im Kampf gegen die PKK viele türkische Soldaten ums Leben kamen. ¸¸Wir müssen mit gesundem Menschenverstand handeln und uns nicht von Gefühlen leiten lassen'', sagte Demirel. Der Chef der Kurdischen Arbeiterpartei (PKK) war im Juni wegen Hochverrats und Separatismus zum Tode verurteilt worden. Ein Berufungsgericht bestätigte den Schuldspruch später, woraufhin Öcalans Anwälte bei der Oberstaatsanwaltschaft erneut Berufung einlegten. Die Anwälte brachten den Fall zudem vor den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte. Demirel erklärte, die Erfüllung der EU-Bedingungen sei die wichtigste Aufgabe des Landes zu Beginn des neuen Jahrtausends. ¸¸Wir sollten mit Selbstvertrauen und Optimismus in das 21. Jahrhundert gehen, aber nicht vergessen, dass wir noch viel Arbeit vor uns haben'', sagte er. Unterdessen kamen nach Medienberichten vom Sonntag bei Kämpfen mit türkischen Soldaten im Südosten des Landes elf kurdische Rebellen ums Leben. Auch drei Soldaten wurden bei dem Vorfall in der Provinz Sirnak getötet, wie der private Fernsehsender NTV berichtete. Eine Serie von fünf Bombenanschlägen vor Supermärkten und Autogeschäften in der südtürkischen Stadt Antalya hat am Sonntag Sachschäden angerichtet. Dabei gingen mehrere Fensterscheiben zu Bruch. Verletzt wurde niemand. Hinweise auf die Täter lagen nicht vor.
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