Die Welt, 29.12.99 Däubler: Ausländische Häftlinge abschieben Opposition begrüßt Vorschlag der Bundesjustizministerin - CSU: "Völlig richtig" Berlin - Ausländische Häftlinge in deutschen Gefängnissen sollen künftig zur Strafverbüßung in ihre Heimatländer abgeschoben werden. Bundesjustizministerin Herta Däubler-Gmelin kündigte gestern in einem Interview mit der "Bild-Zeitung" an: "Ausländer und Spätaussiedler gehören zu den ,Randgruppen', die besonders häufig im Gefängnis landen. Ich bin übrigens dafür, ausländische Häftlinge zum Strafvollzug nach Hause zu schicken." Voraussetzung sei allerdings, dass es dort einen wirksamen und rechtsstaatlichen Strafvollzug gebe, schränkt die Ministerin ein. Die Opposition begrüßt die Forderung Däubler-Gmelins. Der bayerische Justizminister Manfred Weiß (CSU) bezeichnet den Vorschlag als "völlig richtig". Ein europäisches Übereinkommen, das die Überstellung auch gegen den Willen des Häftlings ermöglicht, sei bislang nur von wenigen Ländern ratifiziert worden. Hier müsse sich die Bundesregierung stärker einsetzen. Justizminister Christian Wagner (CDU) hatte bereits vor zwei Monaten einen ähnlichen Vorstoß in Hessen versucht. "Knackis ins Ausland" titelten darauf die Boulevardpresse. Beim grünen Koalitionspartner stößt das sensible Thema derweil auf Unbehagen. Der rechtspolitische Sprecher der Grünen, Volker Beck, mahnt bei der Diskussion über die Kriminalität von Ausländern zur Behutsamkeit. "Nicht alles, was hier populär ist, ist sinnvoll und in einem Rechtsstaat zulässig oder angemessen", sagt Beck. Eine Abschiebung von ausländischen Straftätern könne es nur in bestimmten Fällen unter engen Voraussetzungen geben. Die Abschiebung dürfe keine ergänzende Strafe sein. Der Grünen-Politiker räumt allerdings ein, dass in Fällen, in denen der Ausländer nach Verbüßung der Haft ohnehin in sein Heimatland zurückkehren wird, eine Verbüßung der Strafe in diesem Land erwogen werden könne. Eine Lawine hat die Bundesjustizministerin mit ihrer Forderung nicht losgetreten. "Das ist ein Thema, woran sich schon viele versucht haben", sagt der Vorsitzende des Innenausschusses des Bundestags, Wilfried Penner (SPD) im Gespräch mit der WELT. An sich sei das Problem aber ein altes und auf jeden Fall immer nur unter Berücksichtigung des geltenden Strafrechts zu diskutieren. Vorbehalte anderer Art sind aus Bayern zu hören. Der Sprecher des bayerischen Justizministeriums, Gerhard Zierl, weist darauf hin, dass zum Beispiel in der Türkei viele Täter mit langen Strafen begnadigt würden. Bereits seit 1983 gibt es nach Angaben des Sprechers im Bundesjustizministerium, Christian Arns, ein "Übereinkommen über die Überstellung verurteilter Personen" des Europarats mit weiteren Zeichnungspartnern. Dieses Abkommen wurde 1997 um ein Zusatzprotokoll erweitert, wonach eine Abschiebung auch gegen den Willen der Betroffenen erfolgen kann. Das Problem: Bis auf Mazedonien hat noch kein einziges Land dieses Protokoll ratifiziert. Deutschland hat den Gesetzestext bislang auch nur unterschrieben. Die Forderungen Däubler-Gmelins, ebenso wie die Vorstöße ihrer Kollegen auf Länderebene, sind letztlich also konsequentes Eintreten für die Durchsetzung internationaler Vereinbarungen. "Simple Rechtszusammenarbeit", nennt Christian Arns das.Kir/DW |