Kölner Stadtanzeiger, 29.12.99 Drohungen gegen türkische Politiker Von Gerd Höhler Als Alaattin Cakici jetzt nach 15-monatiger Haft in Frankreich erfuhr, dass er an die Türkei ausgeliefert werden sollte, fiel er seinem Verteidiger Muhittin Yuzuak um den Hals. Cakici, der ungekrönte König der türkischen Unterwelt, hat allen Grund zur Freude. Schon bald könnte er ein freier Mann sein. Im August 1998 hatten türkische Zielfahnder ihn in Zusammenarbeit mit dem deutschen BKA und der französischen Geheimpolizei Cakici in Nizza aufgespürt. Dem 1987 aus der Türkei geflohenen Gangster werden mehr als 40 Morde zur Last gelegt, die er teils eigenhändig begangen, teils angeordnet haben soll. Zu den Opfern gehört auch seine Frau Ugur. Die habe er, brüstete sich Cakici selbst, 1995 im Ski-Urlaub erschießen lassen. Politisch brisanter als die Morde könnten Cakicis Kontakte sein. Der mutmaßliche Killer habe seit Jahren enge Verbindungen zu Politikern, hochgestellten Beamten, Sicherheitsleuten und Wirtschaftsführern gehabt, schrieb das Nachrichtenmagazin "Turkish Probe". In seinem Notizbuch fanden sich Namen und Telefonnummern hochgestellter Polizeioffiziere, türkischer Geheimagenten und Politiker. Der türkische Polizeichef Necati Bilican ahnte: "Das ist größer als Susurluk!" Damit spielte er auf jenen Autounfall nahe der Ortschaft Susurluk an, der im November 1996 erstmals die Unterweltkontakte türkischer Politiker und Sicherheitsbeamter ans Licht brachte. Gemeinsam verunglückten damals in einem gepanzerten Wagen ein seit Jahren gesuchter Killer und Drogenhändler, ein hochrangiger Polizeioffizier und ein konservativer Parlamentsabgeordneter. Der durch den Unfall getötete Gangster besaß einen vom damaligen türkischen Innenminister Mehmet Agar ausgestellten falschen Pass. Wird nun der ausgelieferte Cakici Licht in die Mafia-Kontakte türkischer Politiker bringen? "Wenn ich rede, wird es ein Erdbeben in der Türkei geben", brüstete er sich. "Mindestens zehn Mal" habe er in den vergangenen Jahren mit dem früheren Regierungschef und heutigen Vizepremier Mesut Yilmaz telefoniert. Das Blatt "Sabah": "Wehe, wenn er auspackt." Doch dazu wird es wohl nicht kommen. Cakici könnte schon bald seine Zelle im Gefängnis von Ankara als freier Mann verlassen. Frankreich nämlich knüpfte seine Auslieferung an die Bedingung, dass er nicht wegen Verbrechen vor Gericht gestellt werden darf, die in der Türkei mit der Todesstrafe bedroht sind. Verhandelt werden kann gegen ihn laut Auslieferungsbeschluss nur wegen Straftaten, die zum Teil schon verjährt sind. Unter Anrechnung der Auslieferungshaft könnte Cakici selbst nach einem Schuldspruch in etwa vier Monaten freikommen. Wegen weiterer Straftaten, so die Justiz, kann er nicht einmal vernommen werden. |