Frankfurter Rundschau, 30.12.1999 Bayern und Baden-Württemberg legen Hürden für deutschen Pass hoch Bundesregierung nennt Verhalten "lächerlich" / Länder setzen das neue Staatsbürgerschaftsrecht unterschiedlich um Von Pitt von Bebenburg (Frankfurt a. M.) Die Reform des Staatsbürgerschaftsrechts, die von Januar an gilt, wird von den Bundesländern unterschiedlich umgesetzt. Zwar hat das Bundeskabinett Vorgaben beschlossen - aber unionsregierte Länder nennen diese "lücken- und fehlerhaft" und gehen eigene Wege. "In Bayern und Baden-Württemberg sind die Verwaltungsvorschriften sehr hart", seufzt Faruk Sen, der Leiter des Zentrums für Türkeistudien. Das sei zwar "rechtmäßig, aber unfair", befindet er. Die unionsregierten Süd-Länder bestätigen, dass sie den Bewerbern um die deutsche Staatsbürgerschaft an manchen Punkten mehr abverlangen als andere Bundesländer. Vorwürfe wie die von Sen halten sie aber für unberechtigt - vielmehr sehen sich München und Stuttgart im Einklang mit dem am 30. November mühsam errungenen Kompromiss der Innen-Staatssekretäre von Bund und Ländern. Dagegen bestünden "krasse Abweichungen" zwischen dieser Vereinbarung und den Verwaltungsvorschriften, die Gerhard Schröders Regierung am 15. Dezember gebilligt hat, beklagt Christoph Hillenbrand, Sprecher des bayerischen Innenministers Günther Beckstein (CSU). Der baden-württembergische Innenminister Thomas Schäuble (CDU) sieht die Sache genauso. Er gab am Mittwoch eine eigene Landesvorschrift an die Behörden heraus. Es bleibe aber die Hoffnung, "dass man strittige Punkte im Bundesrat klärt und zu einem einheitlichen Verfahren kommt", sagt Sprecher Dieter Wiesinger. Die Länderkammer soll im Laufe des Frühjahrs 2000 beschließen. Als wichtigen Konfliktpunkt sehen beide Länder die Überprüfung von Sprachkenntnissen bei Bewerbern ohne deutschen Schulabschluss oder Volkshochschul-Zertifikate. Im Berliner Beschluss heißt es dazu, es sei notwendig, dass sich die Ausländer auf Deutsch "mündlich verständigen können". Das genügt München und Stuttgart nicht. Wer Deutscher werden wolle, müsse sich auch schriftlich ausdrücken können. Wie das jedoch im Einzelnen getestet wird, überlassen Schäuble und Beckstein den Beamten vor Ort. Ein Diktat, wie die Unionsländer es ursprünglich geplant hatten, ist nun nicht mehr vorgesehen. Bayern und Baden-Württemberg gehen gemeinsam mit den Unions-geführten Ländern Sachsen, Thüringen und Berlin auch bei der Überprüfung der Verfassungstreue eigene Wege. Sie sehen eine Regelanfrage beim Verfassungsschutz für jeden Bewerber um den deutschen Pass vor. Andere Länder, darunter auch das CDU-regierte Hessen, fragen nur in Verdachtsfällen beim Geheimdienst an. Der Kompromiss von Bund und Ländern hatte ausdrücklich beide Möglichkeiten offen gelassen. Das Bundesinnenministerium von Otto Schily (SPD) hält die Äußerungen aus Bayern und Baden-Württemberg für "lächerlich" und "künstlich hochgespielt", wie Sprecher Rainer Lingenthal kommentiert. In den meisten Punkten - etwa bei Formulierungen über das Ziel, Mehrstaatigkeit zu vermeiden - sei ein Dissens in der Sache nicht ersichtlich. Andere - wie das Wort "mündlich" bei der Überprüfung der Deutschkenntnisse - könnten bei den Beratungen im Bundesrat noch geändert werden. Bisher sei "bei uns nicht ein einziges Schreiben dieser beiden Länder eingegangen", sie äußerten sich nur in der Presse. Offenbar gehe es Bayern und Baden-Württemberg darum zu vermeiden, "dass es aussehen könnte wie eine politische Niederlage", schließt der Berliner Ministeriumssprecher daraus. |