Mindener Tageblatt, 31.12.1999 Auf die Abschiebung in der Zelle warten Junge Ausländerin der Jugendanstalt Hameln: Abschiebe-Verfahren meist langwierig/ Identität klären Blick auf die Zellen: Von 19 Uhr abends bis 6 Uhr morgens besteht die Welt derJugendlichen aus rund zehn Quadratmetern Zellenraum. MT-Foto:Sabine Nuttelmann Von Sabine Nuttelmann 630 Jugendlichesitzen in der Jugendanstalt Hameln ein. Darunter: Junge Ausländer,die auf ihre Abschiebung warten. Gefangene aus31 Nationen sind in Hameln inhaftiert. Ob junge Männer ausAfghanistan, Indien, Iran, Moldawien oder Ruanda - wenn die Abschiebungrechtskräftig ist, kann nichts mehr den Flug ins Heimatlandaufhalten. "Dabei unterscheidet man diejenigen, die zur Abschiebungverurteilt sind und nur noch aufs Flugzeug warten von denjenigenjungen Ausländern, die zu einer Jugendstrafe verurteilt wurden",erklärt Dietmar Müller, der als stellvertretender Leiterder Vollzugsabteilung acht für die Abschiebe-Häftlingezuständig ist. Rest der Strafeabsitzen Hat ein jungerAusländer die Hälfte seiner Strafe abgesessen, kanner einen Antrag auf Ausreise zu stellen. "In diesem Fallwird seine Strafe zurückgestellt und er darf in seine Heimatzurück", informiert Müller. "Sobald er jedochden Versuch macht, erneut illegal nach Deutschland zu kommen undwird dabei aufgegriffen, muss er den Rest der Haftzeit absitzen."Keine Verkürzung ist möglich, wenn der Jugendliche wegenVerstoßes gegen das Betäubungsmittelgesetz oder zuzwei oder mehr Jahren Gefängnis verurteilt wurde. Müllerschätzt: "20 bis 25 Prozent derjenigen, die auf Antragihre Haftzeit verkürzen, versuchen später wieder illegalins Land zu gelangen." Von den 109 Abschiebungen,die im Jahr 1998 in Hameln bearbeitet wurden, waren rund 30 problematisch.Müller: "Rund ein Drittel der Häftlinge kann wederEnglisch noch Französisch und ist für uns nicht ansprechbar.Darüberhinaus haben viele entweder keinen Pass oder sogargleich mehrere, wenn sie sich Alias- Nationalitäten zugelegthaben." Da die Mitarbeiterder Haftanstalt häufig keine Vorkenntnisse über "ihre"Gefangenen hätten, wüssten sie auch nicht, ob beispielsweiseder in Hameln inhaftierte 18-jährige rumänische Taschendiebunter anderem Namen in seiner Heimat gesucht werde. "EinAbschiebe-Verfahren ist oft langwierig", informiert DietmarMüller weiter. "In Zusammenarbeit mit der Ausländerbehördemuss die Identität geklärt werden, ein neuer Pass beschafftund die Betroffenen auch auf die Abschiebung vorbereitet werden." Nicht alle Häftlingewollen in ihre Heimat zurück. Besonders Kurden fürchtetenbei der Rückreise in die Türkei die heimische Polizei."Wir sehen in solchen Fällen zu, dass wir einen Ansprechpartneroder Verwandten in der Türkei finden, der den Jugendlichendann direkt vom Flughafen abholt", erklärt der Experte."Dmit umgehen wir, dass dort gleich die Beamten auf ihn warten." Auf Rückreisevorbereiten Besonders diejenigen,die vor einer Abschiebung Angst hätten, müssten aufihre Rückreise vorbereitet werden. Wolfgang Blum, Leiterder Abteilung Öffentlichkeitsarbeit in der Jugendhaftanstalt:"Wichtig ist, dass den Jugendlichen frühzeitig einePerspektive eröffnet wird." Ob Sprachkurse - nicht inDeutsch, sondern in Türkisch, Französisch und weiterenSprachen - oder Seminare, die Kenntnisse im Hotel-Service, Krankenpflegeoder handwerkliche Grundkenntnisse vermitteln: alles ziele daraufab, die jungen Ausländer so auszubilden, dass sie nach derRückreise in ihrem Heimatland auf eigenen Füßenstehen können. Zusätzlich werden die Häftlingeauch psychologisch betreut. "Sie müssen akzeptieren,dass es für sie keine Zukunft in Deutschland gibt",betont Wolfgang Blum. "Und dass ist besonders für diejenigenschwierig zu akzeptieren, die das Leben im Knast besser finden als das in ihrem Heimatland." |