Özgür Politika, 18.September 2001 Verantwortlich handeln In einem telefonischen Beitrag zur Sendung "Cözüm" bei MEDYA TV hat Gülizar Tural, Mitglied des Präsidialrates der PKK, die Haltung der Türkei zum Gegenschlag nach den Angriffen auf die USA als "königlicher als der König" und äusserst gefährlich kritisiert. "In dieser historischen Wende muss die Richtung der Freiheit, des Friedens und der Gerechtigkeit eingeschlagen werden", warnte sie. Sie verwies auf die Kreise in der Türkei, die Kriegshetze betreiben nach dem Motto "So und so müssen die USA den Krieg eröffnen, muss der Terrorismus ausgerottet werden". "Es gibt Bewertungen der Situation, die einem schon beim zuhören Angst machen. Es wird darüber diskutiert, die Demokratie an den Nagel zu hängen, das ist besorgniserregend. 'Ob Europa in dieser Situation wohl davon absehen wird, auf die Einhaltung der Kopenhagener Kriterien zu bestehen', über solche Dinge wird geredet." Die Türkei habe alle Friedensaufrufe der PKK, die diese seit drei Jahren allen Widerständen zum Trotz ständig wiederholt habe, ignoriert. Statt dessen stürze sich die Türkei mit einem Kopfsprung auf jede auftauchende Möglichkeit zum Krieg. Diese Situation verdeutliche die Haltung der Türkei in der Mission, die sie für sich selbst zugeschnitten habe, so Tural. 'Türkei wird verlieren' Diese Haltung zeige auch, dass die Türkei sich vom Charakter des Mittelostens entfernt habe, fuhr Tural fort. "Der erneute Eintritt in billige Kriegshetze wird die Türkei verlieren lassen. Sie sollte sich noch einmal die Geschehnisse der letzten 15 Jahre vor Augen halten. Niemand sollte in verantwortungsloser Weise sprechen, ohne daran zu denken, welche Wirkung die Worte bei den Völkern hervorrufen werden. Unsere Führung und unsere Partei haben nach diesem Vorfall Herangehensweisen entwickelt, mit denen die Dinge in anderer Form angegangen werden. Es ist nicht zu akzeptieren, das über eine Kraft, die seit drei Jahren von Frieden, Geschwisterlichkeit und Demokratie spricht und dafür kämpft, in solcher Weise gesprochen wird." (Anm.: bezieht sich auf die Tendenzen in der Türkei, die 'weltweite Antiterrorwelle' für die Ausführung der Todesstrafe gegen den PKK-Vorsitzenden Abdullah Öcalan und die Vernichtung der PKK, insbesondere der Führungsebene, auszunutzen) 'Sich die Hand reichen' Tural verwies darauf, dass die Türkei die Entwicklungen und möglichen Ergebnisse diskutieren müsse, ohne dabei ihre Besonnenheit zu verlieren. "Die Dikussion um eine Lösung muss vertieft werden. Wir befinden uns an einem Wendepunkt. Ob an diesem Wendepunkt die Richtung Frieden, Freiheit, Gerechtigkeit eingeschlagen wird, oder es in Richtung Krieg geht, werden wir sehen. An diesem historischen Wendepunkt muss es in Richtung Freiheit, Frieden und Gerechtigkeit gehen. Nicht nur in der Politik, sondern alle, die unsere Welt lieben und in einer winzigen Ecke ihres Herzens die Menschlichkeit tragen, müssen sich die Hand reichen. Dazu rufen wir alle revolutionären Kräfte und Frauenorganisationen auf." 'Ein unglücklicher Vorfall' Der Angriff in den USA sei sowohl in menschlicher Hinsicht als auch für die Zukunft der Menschheit ein unglückseliger Vorfall, sagte Gülizar Tural. Damit er nicht gegen die Völker eingesetzt werde, müsse er richtig bewertet werden. Dafür sei es notwendig, eine tiefgreifende mentale Revolution durchzuführen und die Gründe für den derartig zertstörerischen Angriff sowie Lösungswege herauszuarbeiten. "Die Zerstörung ist das Ergebnis des überall stattfindenden Vorgehens unter dem Namen 'Neue Weltordnung'. Am meisten davon betroffen ist der mittlere Osten. Im Kalten Krieg ist nach der Logik verfahren worden, die Völker im mittleren Osten zu benutzen. Einhergehend mit der Beendigung des Kalten Krieges sollte im mittleren Osten damit begonnen werden, nach der Realität der einzigen verbleibenden Weltmacht USA zu verfahren. Das hat auch historische Wurzeln. Der mittlere Osten ist in diese Lage geraten, weil Hunger, Gewalt und Armut vergrössert und die Widersprüche nicht gelöst wurden. Verantwortlich für die bestehende Situation sind Amerika und der Westen. Es muss ein weiteres Mal erkannt werden, dass die Probleme des mittleren Ostens nicht mit klassischer Kriegspolitik und der Unterdrückung der Völker gelöst werden." |