Özgür Politika, 15.11.2001 Neue PKK-Offensive MHA / FRANKFURT Die Arbeiterpartei Kurdistans (PKK) weitet ihre vor allem in Europa begonnene Kampagne "Bekenntnis zur nationalen und politischen Identität" auf die Türkei und Nordkurdistan aus. In einer schriftlichen Erklärung des PKK-Präsidialrates wird die Beteiligung an einer neuen politischen und nationalen Serhildan-Offensive gefordet. In der Erklärung heisst es: "Die erste Phase des 'Identitätsbekenntnisses' wird in der Form einer mündlichen Forderung nach nationaler Freiheit stattfinden. Während in der Türkei und Nordkurdistan das Identitätsbekenntnis mit demokratischen Aktionen zum Ausdruck gebracht werden wird, werden in den anderen Teilen unseres Landes neben solchen Aktionen auch an internationale Institutionen gerichtete Unterschriftkampagnen durchgeführt werden. Unser im Ausland lebendes Volk wird indessen das fortgesetzte Identitätsbekenntnis mit einer neuen Offensive verstärken." Durch die Entwicklungen weltweit, im Mittleren Osten und in der Türkei sei in deutlicher Form die Notwendigkeit der Überwindung der bestehenden Politik aktualisiert worden, so die Erklärung des PKK-Präsidialrates. Die politische Auffassung, die den Kurden keinen Status und keine Freiheit gewähre, habe jegliche Realität verloren. Die aktuellen Entwicklungen böten dem kurdischen Volk die Gelegenheit, die ihm zustehenden Freiheiten zu erlangen. Bei der vom PKK-Vorsitzenden Abdullah Öcalan hervorgebrachten Linie der Demokratischen Zivilisation handele es um die Linie, gemäss der eine Lösung für die Probleme der Menschheit, der Völker der Region und des kurdischen Volkes gefunden werden könne. Die PKK glaube daran, dass die Zeit gekommen sei, in der das kurdische Volk entsprechend der Linie der demokratischen Freiheit seinen demokratischen Kampf verstärken und zu einer Lösung kommen müsse. Es sei nicht zu verhindern, dass das kurdische Volk seinen ihm zustehenden Platz in der in diesem Rahmen zu gründenden Demokratischen Weltordnung einnehme. Neue Serhildan-Offensive Weiterhin wird das kurdische Volk in der Erklärung zur Offensive aufgefordert: "Ihr müsst mit friedlich-demokratischen Mitteln wie Demonstrationen, Kundgebungen, Rollädenschliessen, Boykotten, Streiks, Versammlungen etc. eine neue Serhildan-Offensive starten, in deren Rahmen gesagt wird, 'ich bin Kurde/Kurdin, ich fordere die Anerkennung meiner nationalen Identität, Freiheit für den Vorsitzenden APO, meine Muttersprache, meine nationalen und kulturellen Rechte'." Ab dem 15. November werde in der Türkei und in Nordkurdistan mit den Identitätsbekenntnissen begonnen werden. Es sei von grosser Bedeutung, dass das gesamte kurdische Volk, vor allem aber die in diesen Gebieten lebenden Kurden, ihre Beteiligung an dieser neuen politischen Serhildan-Offensive zeigten, so der PKK-Präsidialrat. (...) 'Veränderung unausweichlich' Der Zerfall der zum 20. Jahrhundert gehörenden Weltordnung bewege sich geradewegs auf seinen Abschluss zu, heisst es weiter in der Erklärung. Mit dem nach der 11.-September-Aktion begonnenen Afghanistan-Krieg sei der Zerfall der nach dem 1. Weltkrieg gegründeten und im 2. Weltkrieg vervollständigten Weltordnung in seine letzte Phase getreten. Der Krieg in Afghanistan sei ein Krieg, der innerhalb des kapitalistischen Systems selbst stattfinde, wertete der PKK-Präsidialrat. "An dem angelangten Punkt ist es nicht möglich, dass die Beziehungen und Bündnisse mit den im 20. Jahrhundert geltenden Politikformen fortgesetzt werden. Bei der Neustrukturierung der Welt wird es möglich werden, dass bis heute gegnerische Kräfte Bündnisse und eine Zusammenarbeit eingehen. Dabei ist die gemeinsame Haltung, die die USA und Russland zur Afghanistan-Frage eingenommen haben, ein Beipiel dafür. Die Zusammenarbeit wird auch andere Bereiche einschliessen. Es erscheint unausweichlich, dass die Positionierung vieler Kräfte neu festgelegt wird." Die alten Systeme werden überwunden Durch die jüngsten Vorfälle hätten sich neue Dimensionen insbesondere für die stattfindenden Entwicklungen in Mittelasien und dem Mittleren Osten ergeben. In diesen Gebieten sei niemand mit der bestehenden Situation einverstanden. "Die Kräfte, die im Mittleren Osten die Macht in den Händen haben, suchen fieberhaft nach Wegen, ihre Existenz fortzusetzen. Sie sind jedoch mit einer wirtschaftlichen, sozialen und politischen Krise konfrontiert, die ihre Existenz täglich stärker bedroht. Die Überlebenschance dieser Mächte, die keine demokratische Veränderung und Transformation ins Auge fassen können, verringert sich mit jedem verstreichenden Tag. Während ihr Widerstand durch die Entwicklungen geschwächt wird, reifen die Bedingungen für ihre Überwindung weiter heran. Aus diesem Grund stellen sich die herrschenden Kräfte der Region, allen voran die Türkei, gegen eine internationale Intervention gegen den Irak." Die Türkei habe die Entsendung von Soldaten nach Afghanistan beschlossen, weil sie und die weiteren Regime der Region den Fortbestand des existierenden Status Quo verfolgten. Als Gegenleistung für ihre Unterstützung der USA fordere die Türkei die Unterdrückung des kurdischen Befreiungskampfes und internationale Unterstützung für die Überwindung der aktuellen Krise. Die Türkei setze dabei nicht auf eine Lösung, sondern vielmehr auf die Nichtlösung der bestehenden Probleme. Weiter heisst es in der Erklärung: "Das oligarchische Regime feilscht darum, seine strategische Wichtigkeit in der geopolitischen Lage aufrechtzuerhalten. Aus diesem Grund bringt es die Bemühungen für eine demokratische Veränderung und Transformation zum Stocken und bereitet sich auf einen Krieg gegen Südkurdistan vor. Die Armee wird in Kriegsposition gebracht, damit den Kurden im Falle einer möglichen Intervention im Irak kein Status zugesprochen wird. Gleichzeitig steigt die Repression gegen die demokratischen Kräfte im Land. Die Aufrufe der kurdischen Befreiungsbewegung, mit Dialog und Gesprächen zu einer Lösung zu kommen, bleiben unbeantwortet." 'Mit Unterdrückung niemals' Mit Unterdrückung der kurdischen Befreiungsbewegung und einer antidemokratischen Haltung könnten die Türkei und die anderen herrschenden Länder ihre Probleme nicht lösen, betont die Erklärung weiterhin. "Genau im Gegenteil ist eine Lösung für den kurdischen nationalen Befreiungskampf innerhalb eines demokratischen System zum Vorteil aller. Mit ihrer aggressiven Haltung im In- und Ausland erschwert die Türkei die Probleme. Die demokratischen Kräfte der Türkei dürfen eine solche Entwicklung nicht zulassen. Sie müssen ihre Rolle in der demokratischen Lösung erfüllen, indem sie sich mit den politischen Serhildans unseres Volkes vereinigen und zur Entwicklung des demokratischen Kampfes beitragen. Eine solche Haltung müssen auch die anderen Länder in der Region und ihre demokratischen Kräfte einnehmen." |