Özgür Politika, 15.02.2002 Den Entwicklungsprozess vervollständigen Zweiter Teil des Interviews mit PKK-Präsidialratsmitglied Duran Kalkan zur bevorstehenden Entwicklung der Neustrukturierungsphase der PKK in Europa, der Türkei und anderen Gebieten sowie zum 8. PKK-Kongress, der in den nächsten Tagen stattfinden wird. von NURDOGAN AYDOGAN Was für ein Organisationsmodell sieht die PKK für die kommende Zeit für die Türkei und Europa vor? Haben die dortigen Institutionen in ihrem momentanen Zustand ein Niveau, das dem Bedarf gerecht wird? Wie unser demokratisches Organisierungssystem aussehen soll, wird der 8. Kongress festlegen. Auch nach dem Ausserordentlichen 7. Kongress wurde ein Konzept der Veränderung und Neustrukturierung entwickelt. Dementsprechend wurden vielseitig ausgerichtete praktische Schritte unternommen. Die PKK hat sich in grossem Ausmass verändert und eine neue Struktur hervorgebracht. Auf geistiger Ebene konnten Klarheit und Tiefe erreicht werden. Auch in der Praxis wurden stabilisierende Schritte unternommen. Die PKK hat in der Praxis eine Veränderung vollzogen und sich selbst überwunden. Mit beschleunigten und neu geplanten Aktivitäten wollen wir zur einem kompletten Resultat kommen. Das kurdische Volk hat versucht, sich den Notwendigkeiten des nationalen, demokratischen und kulturellen Organisierungsprozesses entsprechend zu ändern. Man kann sagen, dass das zu einem bestimmten Grad gelungen ist. Aber ausreichend ist es noch nicht. Deshalb sind wir entschlossen, den Entwicklungsprozess schnell und erfolgreich zu vervollständigen. Wir wollen, dass die Organisationen, denen es noch nicht gelungen ist, sich zu verändern und neu zu strukturieren, sich ändern und eine Form annehmen, die der Phase entspricht. Es gibt viele Einrichtungen, auf die das zutrifft. Manche haben das Notwendige zur Hälfte bewältigt. Unser Beschluss ist für all diese Kräfte sowohl eine Verwarnung als auch ein Aufruf. Es herrscht ein wenig Schwerfälligkeit und die Tendenz, die Dinge aufzuschieben. Diese Tendenz muss dringend überwunden werden. In dieser Hinsicht sind alle Einrichtungen und Institutionen, die sich im nationalen demokratischen Kampf befinden - ob in Europa oder in der Türkei - dazu gezwungen, sich einer Selbstkontrolle zu unterwerfen und die notwendige Reform, Neustrukturierung und Veränderung zu vollziehen. Das in Europa befindliche Volk muss sich passend zur sich erweiternden und verändernden europäischen Demokratie verhalten und sich eine entsprechende Struktur aneignen. (...) Wie das vor sich gehen soll, wird zu gegebener Zeit mitgeteilt werden. (...) Wir werden diskutieren, wie wir unsere Ziele in gesetzlichem und demokratischem Rahmen mit welcher Organisationsform, was für einer Art und Weise von Arbeit, Leben und Kampf umsetzen werden und uns dementsprechend organisieren. Das ist es auch, was wir dem Volk empfehlen. Niemand sollte sich dagegen sträuben und zurückbleiben. Es bestehen gewissen Schwächen und eine Oberflächlichkeit, was das wirkliche Begreifen der momentane Phase angeht. (...) Veränderungen werden nicht rechtzeitig vollzogen, das ist falsch und schadet unserem Kampf. Alle Massen-, Propaganda- und Agitationsorganisationen in Europa müssen sich selbst passend zur Linie der demokratischen Lösung verändern und einen Kampf entwickeln, der einen Beitrag leistet zur Lösung der kurdischen Frage sowie der Demokratisierung der Türkei und der Region. Sie müssen sich selbst und ihre Aufgabenbereiche auf ein erfolgreiches Niveau bringen. Die Organisierung der Massen in der Türkei ist dagegen radikaler. Auch wenn die Regierungen versuchen, die Entwicklung aufzuhalten und die Reaktion Widerstand leistet, findet in der Türkei ein radikaler demokratischer Veränderungs- und Neustrukturierungsprozess statt. Es ist nicht zu erwarten, dass der Widerstand der Reaktion sehr lange anhalten wird. Die Veränderung wird auf jeden Fall stattfinden und eine Demokratisierung beinhalten. Notwendig dafür ist, dass sich alle demokratischen Kräfte organisieren und sich selbst dafür bereit machen, die Avantgarde dieser Entwicklung darzustellen. (...) Es zeigt sich jedoch an diesem Punkt eine konservative Haltung, eine Willens- und Bewusstseinsschwäche. (...) Das ist der Grund dafür, dass die erforderlichen Arbeiten nicht ausgeführt werden und es nicht ausreichend Initiative gibt, die notwendigen Organisierungen aufzubauen. Die Praxis hat jedoch gezeigt, dass es trotz des bestehenden Unwillens nicht möglich ist, gegenüber einer sich entwickelnden richtigen Haltung auszuhalten. So haben sich viele Organisationen aufgesplittert oder können das, was sie angeblich tun wollten, nicht ausführen. Die sozialdemokratische Bewegung in der Türkei ist zersplittert. Eine Einheit der sozialistischen Bewegung konnte sich nicht bilden und die kurdische Befreiungsbewegung ist begrenzt geblieben, weil es ihr nicht gelungen ist, sich über sich selbst hinaus mit der Türkei zu vereinigen. All dies sind Gründe dafür, dass das Notwendige im Entwicklungsprozess nicht erfüllt wurde. (...) Wir sind der Meinung, dass es notwendig ist, dass diese Kreise sich gemeinsam mit unserer Partei als linksdemokratischer Block organisieren und die Avantgarde stellen in der demokratischen Organisierung des Volkes und im Kampf für Rechte und Freiheit. Die politischen Parteien, kulturellen Institutionen, Massen und Propagandaorganisationen müssen sich selbst innerhalb der Veränderungsverpflichtung sehen. Wenn dies gewährleistet ist, werden die zivilgesellschaftlichen Organisationen und Massenaktivitäten ihre Aufgaben wirkungsvoll erfüllen. Was uns betrifft, so tun wir alles, um eine demokratische Veränderung und Neustrukturierung zu ermöglichen. Wir setzen alle Werte und alles Potential, das in der gesamten Geschichte unseres Kampfes entstanden ist, dafür ein. Entwicklungen in diese Richtung unterstützen wir bis ins letzte. Was für eine Veränderung ist für die Gebiete ausserhalb der Türkei und Europa vorgesehen, insbesondere für die anderen Teile Kurdistans? Mit der alten Struktur wird es in diesen Gebieten keine PKK-Aktivitäten geben. Das im Kampf entstandene Potential wird entsprechend des Wesens der neuen Phase auf der Grundlage der Linie einer demokratischen Lösung eine Organisations- und Aktionslinie annehmen und (...) seine historische Rolle in der Bildung einer demokratischen Einheit im Mittleren Osten weiterspielen. Die demokratische Einheit des Mittleren Ostens wird durch eben diesen auf demokratischer Veränderung basierenden Kampf erschaffen werden. An diesem Punkt steht die Situation in Südkurdistan und im Irak an erster Stelle. Auch die internationale Politik konzentriert sich aktuell auf diesen Punkt. Die Entwicklung und Neustrukturierung, die im Süden und im Irak stattfinden werden, sind somit in den Vordergrund getreten. Wenn der bestehende Status Quo im Irak überwunden wird, soll eine Einheit in demokratischem Rahmen, eine demokratische Föderation zum Nutzen der Kurden und Araber gebildet werden. Unsere Politik steht in diesem Rahmen. Wir bewegen uns nicht vorwärts, wie es gewisse herrschende und auf Profit ausgerichtete Kreise verlangen. Diese Situation haben die Kurden überwunden, sie haben ihre enge, feudale, auf den Gewinn ihrer Stämme ausgerichtete Herangehensweise zurückgelassen. Mehr und mehr haben sie eine Haltung angenommen, mit der nationale Gewinne mit allgemeinen demokratischen Gewinnen vereinigt werden. Auf der Grundlage einer Linie, die den Nutzen aller Völker vorsieht und ihre demokratische und freie Einheit beinhaltet, streben sie an, ihre Rolle in der Veränderung des Südens und Iraks auszufüllen. Deshalb besteht Bedarf an der Weiterentwicklung der politischen Organisierung des Volkes und der Schaffung einer politischen Massenstruktur, die eine demokratische Regierungsmacht ermöglicht. Das ist es, was der Entwicklungsprozess von uns verlangt. In diesem Sinne betrachten wir es als nützlich, wenn alle Kräfte, die nicht von Stammestum und Feudalismus profitieren, sich als eine demokratische politische Partei organisieren. Wir übertragen die Aufgabe einer Parteibildung allen Kräften, für die Demokratie von Nutzen ist. Der Kampf und die Bewegung einer solchen Partei wird in der demokratischen Neustrukturierung des Irak eine wichtige Rolle spielen. Was Syrien betrifft, denken wir, dass das im Kampf der PKK entstandene Potential eine wichtige Rolle dabei spielen kann, für die Kurden das Recht auf Kultur und Sprache durchzusetzen sowie in der Entwicklung der arabischen Demokratie. Einen wichtigen Platz in diesem Gedanken nimmt die Möglichkeit ein, dass das genannte Potential undemokratische Strukturen in Bedrängnis bringen kann, indem sie in Beziehung und Solidarität mit demokratischen Kreisen, mit Kräften, die für eine Veränderung und Neustrukturierung eintreten und gegebenenfalls mit ihnen demokratische Bündnisse bilden, sich organisieren und kämpfen. Wir halten es für wichtig, dass die PKK und ihr Potential im kommenden Prozess zu einer wichtigen Kraft der arabischen Demokratie wird. Und die Kurden werden ihre demokratischen, kulturellen Rechte mit einer solchen Organisierungs- und Kampfform erlangen. Und im Osten, wo wir einen gewissen Einfluss auf die Massen haben, ist die richtige Herangehensweise, unter Beachtung des Einflusses des Islams im Iran zu einer demokratischen Bewegung zu werden, die auf die Demokratisierung des Islam abzielt. Der Iran hat ein ganz eigenes System. Auch wenn im Denken und im politischen Aufbau Enge vorherrscht, liegt eine Struktur vor, die Reformen und Veränderungen möglich macht. Wenn diese Enge und der bestehende Konservativismus durchbrochen werden kann, wird im Iran eine wichtige demokratische und islamische Öffnung stattfinden können, die auch von islamischen Kreisen nicht abgelehnt werden wird. Wir finden es richtig, dass das kurdische Volk die eigene Demokratisierung in diesem Rahmen entwickelt. Wir sehen eine Organisierung und einen Kampf vor, die den Iran zu einer demokratischen Öffnung führen werden, und dass dadurch auch nationale kulturelle Rechte und Demokratie entwickelt werden. Im Iran besteht schon eine bestimmte gesetzliche Öffnung. Wenn dieses richtig ausgewertet wird, kann eine solche Veränderung stattfinden. Zu diesem Thema werden wir unsere eigene Art und Weise korrigieren und in die notwendige Form bringen. Können Sie uns erklären, was für einem Ergebnis diese Beschlüsse auf dem in Kürze stattfindenden 8. Parteikongress zugeführt werden sollen? Wir haben als Partei einhergehend mit der Phase vom 1. September 1998 eine Veränderung auf strategischer Ebene auf die Tagesordnung genommen. Es war eine neue Phase. Unser 7. Ausserordentlicher Kongress hat die Aufgaben dieser Strategieveränderung und Neustrukturierung geplant und ein Programm dafür entworfen. Innerhalb der letzten zwei Jahre haben wir gemäss dieses Planes eine breitgefächerte praktische Arbeit durchgeführt und Veränderung und Neustrukturierung auf eine bedeutende Ebene gebracht. Jetzt wollen wir mit der beschleunigten praktischen Arbeit alle vom 7. Kongress geplanten Arbeiten in der Praxis vollenden. Das werden mit schnell umsetzen. In vielen Bereichen ist es ohnehin schon umgesetzt. Was noch übrig ist, werden wir vervollständigen und den Veränderungs- und Neustrukturierungsprozess einem Abschluss zuführen. Dieser Abschluss wird der 8. Kongress sein. Der 8. Kongress wird die Phase auswerten und die notwendigen Beschlüsse fassen. Damit wird die veränderte und neustrukturierte Apocu-Bewegung in eine neue Kampfphase eintreten. Die wird aus dem Kampf für Demokratie bestehen. (...) Diese Bewegung wird die demokratische Veränderung und den Wandel der kurdischen Gesellschaft vorantreiben, die Gesellschaft weiter demokratisieren und die kurdische Einheit voranbringen. In gleicher Form wird unsere Bewegung nach der eigenen Veränderung und Neustrukturierung dasselbe in die Türkei hineintragen und zum Motor in der demokratischen Veränderung und Neuordnung der Türkei werden. In ähnlicher Form wird sie im Iran, Irak, in Syrien und im gesamten Mittleren Osten eine wichtige Rolle in der Entwicklung einer demokratischen Veränderung spielen und der Region die demokratische Einheit bringen. Der sich auf dieser Grundlage demokratisierende und die eigene Einheit gewährleistende Mittlere Osten wird zu einer Region werden, in der mit den anderen Hauptproblemen auch die kurdische Frage gelöst werden wird. Die Einheit des Mittleren Ostens wird die der Kurden sein, die Demokratie des Mittleren Ostens die der Kurden und auch die Befreiung des Mittleren Ostens wird die Befreiung der Kurden ausmachen. In dem Masse, in dem die Kurden sich befreien, werden sie auch einen Beitrag leisten zur demokratisch-freiheitlichen Veränderung des Mittleren Ostens. Mit unserem 8. Kongress werden wir diese Entwicklung offiziell einleiten. Praktisch findet dies ohnehin schon statt. Gemeinsam mit der kurdischen Gesellschaft werden alle Gesellschaften des Mittleren Ostens zunehmend in eine wirkungsvolle Entwicklungsphase treten, nach der alle Bedarf verspüren, und für die Menschheit die Entwicklung eines neuen Zeitalters, des Zeitalters der demokratischen Zivilisation, einleiten. |