Verschwunden aber nicht vergessen

Rundreise der Samstagsmütter aus Istanbul vom 13.- 28.6 1998

Das Verschwindenlassen von Menschen wird international als besonders schweres Verbrechen gegen die Menschlichkeit geächtet - und doch ist es in vielen Ländern der Welt noch heute grausame Realität. So auch in der Türkei und Kurdistan. Der mit unverminderter Härte geführte Krieg der türkischen Armee gegen den Freiheitswillen des kurdischen Volkes wird auch als "schmutziger Krieg" bezeichnet. Das Verschwindenlassen von Menschen gehört zu den schmutzigen Methoden dieses Krieges und soll vor allem unter den legal lebenden und arbeitenten Menschen, Angehörigen von Guerillakämpfern oder auch bekannten Oppositionellen, die in Parteien oder Gewerkschaften arbeiten, Angst und Unsicherheit erzeugen. Manchmal werden diese "Verschwundenen" nach Monaten ermordet aufgefunden.

Die Angehörigen von Verschwundenen in der Türkei und Kurdistan haben sich Ende Mai 1995 zum ersten Mal mutig auf die Straße gewagt, um ihren Protest und ihren Forderungen öffentlich Ausdruck zu verleihen. Während die Kundgebungen im Herzen von Istanbul zunächst von der Polizei mit Schlagstöcken auseinander getrieben wurden, haben die Angehörige heute für ihr Anliegen längst die internationale Öffentlichkeit erreicht. Die Madres von der Plaza de Mayo, die Ende der 70er Jahre ihre Proteste gegen die argentinische Diktatur mit der Parole begannen: " Lebend habt ihr sie uns genommen, lebend wollen wir sie zurück," haben die Samstagsmütter in Istanbul schon besucht, um ihre Solidarität zu Ausdruck zu bringen. Von der Internationalen Liga für Menschenrechte erhielten sie 1996 den Menschenrechtspreis für ihre mutige Arbeit. Seit Anfang Mai allerdings ist es - wie gegen andere legale oppostionelle Institutionen und Einrichtungen - auch gegen die Samstagsmütter zu verstärkter Repression gekommen. So wurde ihre Kundgebung am 9. Mai durch massiven Polizeieinsatz gesprengt und über 20 der Angehörigen und Mütter wurden vorübergehend festgenommen.

Warum kommen die Samstagsmütter nach Deutschland?

Die deutsch-türkischen Beziehungen sind traditionell eng und gehen weit bis in das letzte Jahrhundert zurück. Die Bundesrepublik Deutschland unterstützt die Türkei wirtschaftlich, politisch und auch militärisch sowie in der militärischen Zusammenarbeit. Staatlich geduldete Konterguerilla-Gruppen sind sowohl an dem Verschwindenlassen von Menschen in der Türkei beteiligt, als auch an den Morden "unbekannter Täter". Offizielle Ermittlungen anläßlich der "Susurluk-Affäre", die die Zusammenarbeit zwischen Mafia und türkischem Staat offenbarte, haben den Beweis dafür erbracht. Wir finden die Frage berechtigt, inwieweit hier nicht eine konkrete Mitverantwortung der Bundesregierung vorliegt? Der kürzlich erfolgte Mordanschlag auf den international anerkannten Menschenrechtler Akin Birdal, Vorsitzender des IHD, wirft die Frage auf, was noch alles geschehen muß, bevor auch die Bundesregierung aktiv wird.

Europa und damit auch Deutschland bleibt aufgefordert, bei möglichen und notwendigen Friedensverhandlungen zur Beendigung des schmutzigen Krieges in der Türkei und Kurdistan eine aktive Rolle zu übernehmen. Erst wenn es Frieden und Gerechtigkeit für das kurdische und türkische Volk gibt, werden auch die schmutzigen Methoden des Krieges ein Ende finden.

Als der Unterausschuß für Menschenrechte und Humanitäre Hilfe des Deutschen Bundestages im April 1997 die Türkei und die kurdischen Gebiete der Türkei bereiste, wurde der Delegationsleiterin Frau Imgard Adam-Schwätzer vom Menschenrechtsverein (IHD) in Diyarbakir - der übrigens kurze Zeit später polizeilich geschlossen wurde - eine Liste mit mehr als 100 verschwundenen Personen überreicht. Auf ihrer Pressekonferenz nach ihrer Rückkehr in Bonn, machte Frau Adam-Schwätzer deutlich, daß sie sich besonders dem Schicksal der Verschwundenen in der Türkei annehmen wolle.

Ein Jahr später kommen die Samstagsmütter nach Deutschland, um in Erfahrung zu bringen, ob es hier eine Antwort auf ihre Fragen gibt: Wo sind unsere Angehörigen? Die Rundreise soll das Anliegen der Samstagsmütter gegenüber der deutschen Öffentlichkeit bekannt machen. Sowohl beim Bundestag in Bonn, als auch in den Landtagen von Nordrhein-Westfalen, Hessen, Rheinland-Pfalz, Bayern, Sachsen, Baden-Württemberg, der Hamburger Bürgerschaft und dem Berliner Senat sind Informationsgespräche geplant.

Die Rundreise wird organisiert von:

Kurdistan Informationszentrum Köln,

Informationsstelle Kurdistan Köln

Die Rundreise wird politisch unterstützt von:

Aachener Friedenspreis e.V.; AGISRA e.V. Köln; amnesty for women; amnesty international Düsseldorf; Bündnis 90/Die Grünen, Bundesvorstand; Bündnis 90/Die Grünen, Fraktion im Rat der Stadt Köln; Flüchtlingsrat NRW; Frauenverband Courage e.V.; Freier Frauenverband Kurdistan, YAJK; Medica mondiale e.V.; medico international; Samstagsmütter-Unterstützung- und Solidaritätskomitees Berlin, Hamburg und Köln; Terre des Femmes; Vereinigung der Verfolgten des Nazi-Regimes/Bund der Antifaschisten (VVN/BdA), Köln

Weitere Informationen und Kontaktadresse:

Informationsstelle Kurdistan e.V., (V.i.S.d.P.) Koelhofstr. 10, 50676 Köln

Spendenkonto:

Postbank Köln, BLZ 370 100 50, Kto. Nr. 39 68 - 506, Stichwort: Rundreise