Schwarze Flagge an der türkischen
Sonnenküste
In Antalya, Bodrum und anderen Ferienorten bleiben die deutschen Touristen aus - Krisenstimmung in Ankara
Von unserer Mitarbeiterin
SUSANNE GÜSTEN, Istanbul -
Sonne, Sand und Strand sind reichlich vorhanden, doch die Liegestühle
und Hotelbetten an der türkischen Riviera blieben in diesem Jahr bisher
weitgehend frei. „Bei uns sind nur vier Zimmer belegt“, berichtet der Rezeptionist
eines 50-Betten-Strandhotels im Badeort Bodrum - und das mitten in der
Hochsaison und obwohl es seit neuestem Direktflüge dorthin von Deutschland
aus gibt. Ähnlich sieht es in Antalya, Alanya, Marmaris und Kusadasi
aus: Hotels, Pensionen und Feriendörfer melden Belegungsquoten von
35 bis 65 Prozent; bis zu zwei Drittel der Betten bleiben also leer. In
ihrer Verzweiflung haben Hoteliers und Charter-Gesellschaften in der Türkei
ihre Preise um bis zu 30 Prozent herabgesetzt. An Ägäis und Mittelmeer
sanken die Hotelpreise bereits von durchschnittlich 60 bis 100 Mark auf
30 bis 40 Mark pro Nacht einschließlich Halbpension. Ein Fünf-Sterne-Hotel
in Belek bei Antalya soll sogar so weit gegangen sein, seine Zimmer für
20 Mark die Nacht anzubieten. Selbst in Istanbul - einer der teuersten
Städte Europas - sind inzwischen Zimmer in Luxus-Herbergen für
unter 100 Mark die Nacht zu haben. Denn im Kultur-Tourismus sieht es nicht
besser aus als bei den Strandurlauben.
Tourismusminister Ibrahim Gürdal versucht verzweifelt, den Preisverfall
aufzuhalten. „Die 14-Mark-Touristen können wir hier nicht brauchen“,
beschwört er die Branche. Das Ministerium warnt die Tourismus-Unternehmer
vor Panik:
Offiziellen Zahlen zufolge sei die Besucherzahl nur geringfügig
gesunken. Doch angesichts ihrer leeren Hotels, Restaurants und Geschäfte
zeigen sich die Tourismus-Betriebe von Gürdals Statistiken wenig beeindruckt
und fordern staatliche Unterstützung.
Mit ihren Befürchtungen stehen die Unternehmen offenbar auch nicht
alleine da: Zu einer Krisenkonferenz, die das Tourismusministerium schließlich
auf Druck der Branche in diesem Monat in Ankara einberief, erschienen neben
den Branchenverbänden auch Vertreter des Schatzamtes, des Geheimdienstes
und des Generalstabes. Schließlich erwirtschaftet die Türkei
ein Viertel ihrer Auslandseinkünfte aus dem Tourismus. Schon im Vorfeld
des Treffens rechneten die Tourismusverbände kräftig mit der
Regierung ab. Es sei kein Wunder, daß die Besucher ausbleiben, wenn
sich über Zypern ein Krieg zusammenbraue, die türkische Regierung
sich „völlig unnötige Verbalschlachten“ mit der Europäischen
Union und vor allem mit Deutschland liefere und kurdische Freischärler
vor Antalya auftauchten, schimpfte etwa der Vorsitzende eines Hotelverbandes.
Andere Hotelbesitzer beklagen die vom Gesetzgeber angeordnete Schließung
der Spielcasinos auf Initiative der Islamisten. Der Reisebüro-Verband
verweist darauf, daß die Türkei nach der Abwertung der griechischen
Drachme und der Senkung der spanischen Mehrwertsteuer an Konkurrenzfähigkeit
verloren habe. Und viele Tourismusmanager kritisieren, daß die Türkei
sich ihrer Sache zu sicher geworden sei und zu wenig für Werbung und
Marketing im Ausland ausgegeben habe. „In Deutschland etwa haben wir im
vergangenen Jahr maximal fünf Millionen Mark für die Werbung
ausgegeben“, sagt Hüseyin Baraner von der Istanbuler Vertretung des
deutsch-türkischen Reiseveranstalters Öger Tours. „Griechenland
hat dagegen 40 Millionen Mark investiert.“
Es ist vor allem das Ausbleiben der Deutschen, das die Türken
bekümmert. Schließlich kam im vergangenen Jahren von den zehn
Millionen Touristen in der Türkei jeder vierte aus Deutschland. Aufgrund
der zweistelligen Zuwachsraten der Vergangenheit waren für dieses
Jahr bereits drei Millionen Besucher aus der Bundesrepublik angepeilt worden.
Erst im Frühjahr wurden daher die Tourismus-Flughäfen von Antalya
und Dalaman erweitert. Doch die Anlagen sind nun ebenso verwaist
wie Strände und Swimmingpools. Als Tourismusminister Gürdal vor
einigen Tagen an einem Strand bei Alanya auftauchte, hißten die Gastwirte
und Andenkenhändler zur Begrüßung eine schwarze Flagge.
Ungewollte Ruhe
An der türkischen Riviera haben Badegäste derzeit genug Platz.
Der Tourismus in der Region steckt in der Krise. Der Konflikt um Zypern,
die harten Töne gegen die Bonner Politik und das Erstarken der Islamisten,
glauben Experten, schrecken die Deutschen ab.