Saarbrücker Zeitung 25/26.7.1998
 

Schwarze Flagge an der türkischen
Sonnenküste

In Antalya, Bodrum und anderen Ferienorten bleiben die deutschen Touristen aus - Krisenstimmung in Ankara

Von unserer Mitarbeiterin
SUSANNE GÜSTEN, Istanbul -

Sonne, Sand und Strand sind reichlich vorhanden, doch die Liegestühle und Hotelbetten an der türkischen Riviera blieben in diesem Jahr bisher weitgehend frei. „Bei uns sind nur vier Zimmer belegt“, berichtet der Rezeptionist eines 50-Betten-Strandhotels im Badeort Bodrum - und das mitten in der Hochsaison und obwohl es seit neuestem Direktflüge dorthin von Deutschland aus gibt. Ähnlich sieht es in Antalya, Alanya, Marmaris und Kusadasi aus: Hotels, Pensionen und Feriendörfer melden Belegungsquoten von 35 bis 65 Prozent; bis zu zwei Drittel der Betten bleiben also leer. In ihrer Verzweiflung haben Hoteliers und Charter-Gesellschaften in der Türkei ihre Preise um bis zu 30 Prozent herabgesetzt. An Ägäis und Mittelmeer sanken die Hotelpreise bereits von durchschnittlich 60 bis 100 Mark auf 30 bis 40 Mark pro Nacht einschließlich Halbpension.  Ein Fünf-Sterne-Hotel in Belek bei Antalya soll sogar so weit gegangen sein, seine Zimmer für 20 Mark die Nacht anzubieten. Selbst in Istanbul - einer der teuersten Städte Europas - sind inzwischen Zimmer in Luxus-Herbergen für unter 100 Mark die Nacht zu haben. Denn im Kultur-Tourismus sieht es nicht besser aus als bei den Strandurlauben.
Tourismusminister Ibrahim Gürdal versucht verzweifelt, den Preisverfall aufzuhalten. „Die 14-Mark-Touristen können wir hier nicht brauchen“, beschwört er die Branche. Das Ministerium warnt die Tourismus-Unternehmer vor Panik:
Offiziellen Zahlen zufolge sei die Besucherzahl nur geringfügig gesunken. Doch angesichts ihrer leeren Hotels, Restaurants und Geschäfte zeigen sich die Tourismus-Betriebe von Gürdals Statistiken wenig beeindruckt und fordern staatliche Unterstützung.
Mit ihren Befürchtungen stehen die Unternehmen offenbar auch nicht alleine da: Zu einer Krisenkonferenz, die das Tourismusministerium schließlich auf Druck der Branche in diesem Monat in Ankara einberief, erschienen neben den Branchenverbänden auch Vertreter des Schatzamtes, des Geheimdienstes und des Generalstabes. Schließlich erwirtschaftet die Türkei ein Viertel ihrer Auslandseinkünfte aus dem Tourismus. Schon im Vorfeld des Treffens rechneten die Tourismusverbände kräftig mit der Regierung ab. Es sei kein Wunder, daß die Besucher ausbleiben, wenn sich über Zypern ein Krieg zusammenbraue, die türkische Regierung sich „völlig unnötige Verbalschlachten“ mit der Europäischen Union und vor allem mit Deutschland liefere und kurdische Freischärler vor Antalya auftauchten, schimpfte etwa der Vorsitzende eines Hotelverbandes.  Andere Hotelbesitzer beklagen die vom Gesetzgeber angeordnete Schließung der Spielcasinos auf Initiative der Islamisten. Der Reisebüro-Verband verweist darauf, daß die Türkei nach der Abwertung der griechischen Drachme und der Senkung der spanischen Mehrwertsteuer an Konkurrenzfähigkeit verloren habe. Und viele Tourismusmanager kritisieren, daß die Türkei sich ihrer Sache zu sicher geworden sei und zu wenig für Werbung und Marketing im Ausland ausgegeben habe. „In Deutschland etwa haben wir im vergangenen Jahr maximal fünf Millionen Mark für die Werbung ausgegeben“, sagt Hüseyin Baraner von der Istanbuler Vertretung des deutsch-türkischen Reiseveranstalters Öger Tours.  „Griechenland hat dagegen 40 Millionen Mark investiert.“
Es ist vor allem das Ausbleiben der Deutschen, das die Türken bekümmert. Schließlich kam im vergangenen Jahren von den zehn Millionen Touristen in der Türkei jeder vierte aus Deutschland. Aufgrund der zweistelligen Zuwachsraten der Vergangenheit waren für dieses Jahr bereits drei Millionen Besucher aus der Bundesrepublik angepeilt worden. Erst im Frühjahr wurden daher die Tourismus-Flughäfen von Antalya und Dalaman erweitert.  Doch die Anlagen sind nun ebenso verwaist wie Strände und Swimmingpools. Als Tourismusminister Gürdal vor einigen Tagen an einem Strand bei Alanya auftauchte, hißten die Gastwirte und Andenkenhändler zur Begrüßung eine schwarze Flagge.

Ungewollte Ruhe
An der türkischen Riviera haben Badegäste derzeit genug Platz. Der Tourismus in der Region steckt in der Krise. Der Konflikt um Zypern, die harten Töne gegen die Bonner Politik und das Erstarken der Islamisten, glauben Experten, schrecken die Deutschen ab.