28.07.1998
Abgeschobener in Militärgewahrsam
Kurdischer Deserteur droht
hohe Strafe wegen Fahnenflucht
Der kurdische Deserteur Abdul Menaf
Düzenli, der am 14. Juli nach seiner Abschiebung aus dem Kirchenasyl
im pfälzischen
Mutterstadt in der Türkei
festgenommen wurde, befindet sich nun in Militärgewahrsam und muß
mit einer Gefängnisstrafe wegen
Fahnenflucht rechnen. Wie er gegenüber
seinem Onkel angab, der ihn acht Tage nach der Abschiebung erstmals besuchen
durfte,
sei er in Istanbul nach einem
Verhör bei der Antiterrorpolizei weitere sechs Tage von der Militärpolizei
vernommen worden. Dann
habe man ihn nach Izmir-Narlidere
zu seiner Einheit gebracht, aus der er vor sechs Jahren desertiert war,
weil er es nach eigenen
Angaben nicht ausgehalten hatte,
am »schmutzigen Krieg« der türkischen Armee gegen seine
kurdischen Landsleute teilzunehmen.
Der zuständige Bataillons-Kommandeur
in Izmir-Narlidere kündigte gegenüber dem Onkel Düzenlis
an, daß der Deserteur nach
einem Prozeß wegen Fahnenflucht
in ein Militärgefängnis verlegt werde. Auf Fahnenflucht stehen
in der Türkei bis zu fünf Jahre
Haft. Die schwangere Ehefrau des
26jährigen und ihre drei kleinen Kinder waren nach dem Aufenthalt
bei der Antiterrorpolizei
freigelassen worden. Die Ehefrau
will gehört haben, wie Düzenli beim dortigen Verhör geschlagen
und mißhandelt worden ist.
Auch der ökumenische Arbeitskreis
»Solidarität mit Ausländern« (AK) in Mutterstadt
geht davon aus, daß Düzenli gefoltert wurde,
selbst wenn er gegenüber
seinem Onkel keine diesbezüglichen Angaben machen konnte. Ein Sprecher
warf überdies dem
rheinland-pfälzischen Innenminister
Walter Zuber (SPD) »Wortbruch« vor, da das Ministerium sein
Versprechen, nicht aus
kirchlichen Räumen abzuschieben,
gebrochen habe. Die Erklärung eines Ministeriumssprechers, dies habe
sich lediglich auf
»sakrale Räume«
bezogen, bezeichnete eine AK-Sprecherin gegenüber junge Welt als »Spitzfindigkeit«,
Kirchenraum sei
Kirchenraum. Düzenli und
seine vierköpfige Familie waren am 14. Juli von elf Polizisten mit
laut Augenzeugen »brachialer
Gewalt« aus dem Kirchenobdach
im evangelischen Kirchengemeindehaus in Mutterstadt geholt und noch am
selben Abend
abgeschoben worden.
Ein Eilantrag des Rechtsanwalts
der Familie, der noch am Tag der Abschiebung Dokumente zum bereits seit
längerem bestehenden
Haftbefehl gegen Düzenli
wegen Fahnenflucht einreichte, war vom Verwaltungsgericht Neustadt/Weinstraße
abgelehnt worden.
Das Gericht bestand bis zum Schluß
darauf, daß die Darstellung der Desertion des Kurden unglaubwürdig
sei, und hatte eine
Verfolgung nach der Abschiebung
»mit Sicherheit« ausgeschlossen.
Dieter Balle