Es gibt immer nur tote Gegner
Massive Offensive der türkischen Armee in Ostanatolien nach Angriffen
der PKK
STANDARD-Korrespondentin Astrid Frefel aus Egirdir
In den praktischen Übungseinsätzen
gibt es keinen fiktiven Gegner, sondern immer sind "PKK-Terroristen" die
Feinde. Und was hier in Egirdir, einem
Schul- und Ausbildungscenter der türkischen
Armee, trainiert wird, ist ein genaues Abbild der Wirklichkeit im kurdischen
Südosten. Sei es im Straßen-
oder Häuser-Kampf, am Ende gibt es auch
in der Übung immer nur tote Gegner, kaum je gefangene und verwundete
Feinde. Dieses Szenario
entspricht den täglichen Verlautbarungen
der Armee aus dem Kriegsgebiet, in denen lebend festgenommene PKK-Kämpfer
die Ausnahme bilden.
Und so sind seit Wochenbeginn im Grenzgebiet
zum Irak wieder an die zweihundert Menschen getötet worden. Die Armee
meldete 165 tote
PKK-Kämpfer als Zwischenbilanz ihrer
jüngsten Großoffensive. Sie ist die Antwort auf einen Angriff
der PKK auf einen Grenzposten im vergangenen
Monat, bei dem 22 Soldaten getötet wurden.
In den Provinzen Sirnak und Hakkari ging die Armee auch am Mittwoch weiter
massiv gegen die
kurdischen Rebellen vor. Schätzungsweise
28.000 Menschen wurden seit dem Beginn der Kämpfe vor 14 Jahren getötet.
"Stark, tapfer, bereit"
Egirdir ist vom Kriegsschauplatz weit weg,
es liegt in Westanatolien, 120 Kilometer nördlich von Antalya. Die
hier trainierten Gebirgstruppen haben in
diesem zerklüfteten Land eine lange Tradition.
Heute werden in Egirdir vor allem jene Soldaten ausgebildet, die dann im
kurdischen Kriegsgebiet Dienst
tun. Blutvergießen und den Sieg. Hoch
über dem Ausbildungsgelände mit roten und weißen Steinen
an den Berghang geschrieben steht weit sichtbar
das Motto dieser Eliteeinheit: "Stark, tapfer,
bereit".
Wer in Egirdir ist, ist freiwillig hier. Die
Anmeldungen übersteigen die Kapazität um das Doppelte. Einziges
Aufnahmekriterium ist die körperliche
Tüchtigkeit. Geistige Wachheit wird nicht
geprüft. Die Ausbildung ist breit gefächtert: Training im Wasser,
an steilen Kletterfelsen, in tiefen Höhlen und
Schluchten mit reißenden Bächen;
im Winter auch im Schnee. Im Überlebenstraining werden Schlangen gebraten
und Fische von Hand gefangen. Dazu
immer wieder lange Märsche bei Tag und
bei Nacht.
"Wenn wir nicht alle gut trainierte Sportler
wären, würden wir diese Strapazen nicht durchstehen", meint einer
der Rekruten im Gespräch. Die Frage,
weshalb sie sich denn freiwillig zu dieser
Einheit gemeldet haben, wo doch dieser Dienst mit Sicherheit an die Front
führt, beantworten auch seine
beiden anderen Kollegen am Mittagstisch wie
im Chor: "Wenn wir schon Militärdienst leisten müssen, dann wollen
wir etwas Sinnvolles für unser Land
tun."
Nur ein zweitrangiges Argument ist die Hoffnung
eines jungen Tourismusexperten, von dieser Erfahrung später im Beruf
profitieren zu können. Vier
Monate dauert dieses Training, dann folgen
vierzehn Monate Einsatz. Eine Lotterie entscheidet, wer in den kurdischen
Südosten darf. Jene zehn
Prozent, die an ruhige Orte verlegt werden,
sind bitter enttäuscht.
Vaterlandsliebe genügt
Drill, Drill und nochmals Drill heißt
das Konzept der Ausbildung. Psychologisch werden die Grenadiere nicht auf
ihren Einsatz im Kampfgebiet geschult.
Das Wissen um die eigene Stärke, die
Vaterlandsliebe und die türkische Fahne, das sei genug, um erfolgreich
kämpfen zu können, erklärt einer der
Führungsoffiziere. Nur im Stundenplan
der Offiziere sind auch einige Lektionen über Persönlichkeits-
und Menschenrechte und den korrekten Umgang
mit der lokalen Bevölkerung im Krisengebiet
vorgesehen.