Der vor fünf Wochen in die
Türkei abgeschobene kurdische Deserteur Abdul Menaf Düzenli ist
infolge von Mißhandlungen bei der Istanbuler
Anti-Terror-Polizei und diversen
Stellen der türkischen Militärpolizei gesundheitlich schwer angeschlagen.
Wie Verwandte des 26jährigen
gegenüber Mitgliedern einer
deutschen Delegation, der auch der PDS-Bundestagsabgeordnete Winfried Wolf
angehörte, in Istanbul erklärten,
mußte Düzenli bereits
in Istanbul nach einem Verhör bei der Anti-Terror-Polizei zu einem
Arzt gebracht worden. Er sei bedroht und aufgefordert
worden, über die Mißhandlungen
nicht zu sprechen. Durch Zahlung eines Bestechungsgeldes von 1 500 Mark
habe ein Freund erreichen können,
daß die Anti-Terror-Abteilung
ihn wieder zur Flughafenpolizei gebracht habe. Diese habe ihn Istanbuler
Militärbehörden übergeben, von wo er -
eine Woche nach der Abschiebung
am 14. Juli - nach weiteren Verhören zu seiner Militäreinheit
nach Izmir überstellt wurde. Von dort wurde er
dann in das Militärgefängnis
in Izmir-Sirinyer verlegt, wo er gegenwärtig auf seinen Prozeß
wegen Desertion wartet, der für den 26. August
angesetzt ist.
Wegen starker Schmerzen im Nacken
habe er bereits zweimal zur Behandlung in ein Militärkrankenhaus gebracht
werden müssen. Ein Verwandter,
der ihn am 22. Juli besuchen konnte,
berichtete von einem verwirrten und verängstigten Zustand Düzenlis,
dem man seit der Abschiebung weder
Waschgelegenheit noch saubere
Kleidung gegeben habe. Gegenüber einem Vertreter des Deutschen Generalkonsulats
in Istanbul bestritten die
türkischen Behörden
jedoch jegliche Mißhandlungen.
Aus Konsulatskreisen hieß
es aber auch, die Zahl der »Problemfälle« nach Abschiebungen
nehme zu. Der Fall des ebenfalls aus der BRD
abgeschobenen Kurden Mehmet Ali
Akbas, dem nach schwerer Folter die Wiedereinreise nach Deutschland ermöglicht
wurde, sei »ein
Wendepunkt« gewesen. Eine
Verschärfung der Lageberichte des Auswärtigen Amtes hält
man nun für angebracht. Man könne »nicht mehr so
weitermachen wie bisher«,
so eine deutsche Diplomatin in Istanbul gegenüber jW.
Die Lageberichte sind wesentliche
Grundlage für die Asylrechtssprechung in der BRD. Noch am Tag der
Abschiebung hatte das
Verwaltungsgericht Neustadt basierend
auf der »Auskunftslage« des Auswärtigen Amtes einen Eilantrag
der fünfköpfigen Familie Düzenli abgelehnt
und in Abrede gestellt, daß
»Kurden wegen ihrer Volkszugehörigkeit nach einer Wehrdienstentziehung
Folter oder eine höhere Strafe drohen«.
Darüber hinaus hatte das
Gericht ein von Düzenli vorgelegtes Dokument offensichtlich aus Unwissenheit
für eine Fälschung gehalten. Der urteilende
Verwaltungsrichter Kintz hatte
verkannt, daß über das eigentliche Desertionsverfahren hinaus
auch ein Verfahren vor dem Staatssicherheitsgericht in
Diyarbakir anhängig ist.
Der Kurde hatte 1997 in diversen
von Deutschland aus verschickten Erklärungen, darunter an den türkischen
Generalstab sowie das Außen- und
Innenministerium und den Parlamentspräsidenten
der Türkischen Republik, den Kriegsdienst verweigert und unter anderem
die Türkei als
»faschistischen Staat«
bezeichnet. Dies steht in der Türkei unter Strafe. Düzenlis ehemaliger
Istanbuler Anwalt Abdul Halim Seven bestätigte noch
einmal gegenüber jW und dem
PDS-Bundestagsabgeordneten Winfried Wolf die Existenz des daraufhin eingeleiteten
Verfahrens. Die zu
erwartende Gesamtstrafe könnte
sich einschließlich der Bestrafung wegen Desertion auf bis zu zehn
Jahre addieren, da jeder einzelne Brief
gesondert bestraft werden könne,
so Seven. Danach muß Düzenli nach türkischem Recht auch
die restliche Wehrdienstzeit von 15 Monaten
ableisten. Winfried Wolf forderte
in einer gemeinsamen Pressekonferenz mit dem Menschenrechtsverein IHD vor
der türkischen Presse in Istanbul
die Freilassung Düzenlis,
dessen Fall ein Beispiel für die menschenverachtende Abschiebepolitik
der Bundesrepublik sei.
Dieter Balle