Drei Kurden nach Abschiebung
                      gefoltert

                      Streit um den neuen Lagebericht des Auswärtigen Amtes
                      über die Kurdenverfolgung in der Türkei. Bericht enthält
                      angeblich "nicht notwendigerweise eine neue Tendenz", die
                      Kurdenabschiebungen verhindere

                      Von Cornelia Fuchs

                      Bonn (taz) - Der neue Lagebericht des Auswärtigen Amtes über
                      die Türkei enthält nach Angaben des Pressesprechers Volker Pellet
                      "nicht notwendigerweise eine neue Tendenz" in der Bewertung der
                      Situation abgeschobener Kurden in der Türkei. Damit widersprach
                      Pellet einem Artikel der Berliner Zeitung, in dem sein Kollege
                      Martin Erdmann mit den Worten zitiert wird, aus dem Lagebericht
                      ergebe sich "eine neue Bewertung der Lage".

                      Pellet sagte, Erdmann sei falsch verstanden worden. "Eine solche
                      Bewertung hieße, dem Bericht vorzugreifen." Zur Zeit befände sich
                      der neue Lagebericht noch in der Endredaktion. Erscheinen solle er
                      in den nächsten zwei bis drei Wochen. In diesem Jahr haben
                      Menschenrechtsorganisationen in der Türkei und Deutschland
                      bereits drei Schicksale von kurdischen Flüchtlingen belegt, die nach
                      ihrer Abschiebung in die Türkei gefoltert wurden.

                      Mehmet G. konnte inzwischen nach schweren Mißhandlungen in
                      der Türkei nach Rumänien fliehen. Im Februar wurde er nach seiner
                      Abschiebung noch auf dem Flughafen Istanbul verhaftet. Bei den
                      folgenden Vernehmungen wurden ihm nach Angaben von amnesty
                      international mehrere Zähne ausgeschlagen, er wurde durch
                      Stromstöße unter anderem an den Genitalien gefoltert.

                      Ein Vertrauensarzt des türkischen Menschenrechtsvereins IHD
                      attestierte G. nach seiner Entlassung aus der Haft schwere Kopf-
                      und Hüftverletzungen. Das Innenministerium verweigert G. bisher
                      die Erlaubnis, wieder nach Deutschland einzureisen. Die
                      Begründung: G. könne in Rumänien Asyl beantragen. Dies hat G.
                      aus Angst vor einer erneuten Abschiebung in die Türkei jetzt getan.

                      Der Lagebericht des Auswärtigen Amtes dient unter anderem den
                      Gerichten und dem Bundesamt für die Anerkennung ausländischer
                      Flüchtlinge in Zirndorf als Grundlage ihrer Entscheidungen über
                      Asylanträge türkischer Kurden. Bisher durfte nur ein kurdisches
                      Folteropfer nach Deutschland zurückkehren. Mehmet Ali Akbas
                      war nach seiner Abschiebung im Januar in der Türkei gefoltert
                      worden und hatte sich dies von dem Vertrauensarzt des deutschen
                      Generalkonsulats bestätigen lassen. Sein Schicksal bewertet das
                      Auswärtige Amt bisher als "Einzelfall". Amnesty international spricht
                      dagegen insgesamt von acht Fällen. Die Fraktion der
                      Bündnisgrünen hat dem Auswärtigen Amt bereits im April
                      vergangenen Jahres Beweise ausgehändigt, die Folterungen an
                      insgesamt 15 Kurden bestätigen.

                      Die asylpolitische Sprecherin der Bündnisgrünen, Amke
                      Dietert-Scheuert, fordert, daß das Auswärtige Amt die
                      Gefährdungslage der Kurden offenlegen und sich nicht zum
                      Handlanger der Abschiebepolitik Kanthers machen soll. Dagegen
                      sagt Pressesprecher Pellet, die Bewertung des Lageberichtes
                      geschehe an anderer Stelle. Er sieht die Aufgabe des Auswärtigen
                      Amtes in der Bereitstellung "objektiver Fakten". Schon in den
                      früheren Lageberichten seien neben den Botschaften auch
                      Nichtregierungsquellen zu Rate gezogen worden: "Doch nicht
                      immer konnte das Auswärtige Amt die Bewertung der
                      Menschenrechtsorganisationen teilen."

                      Das Außenministerium hat bisher nur zwei der acht von amnesty
                      international dokumentierten Fälle bestätigt. Amnesty-Sprecher
                      Grenz: "Das Auswärtige Amt will den Eindruck vermeiden, die
                      Kurden seien in der Türkei gefährdet."