31.08.1998
Antirassisten als Gefahr?
Polizei behinderte Karawane für
Flüchtlinge in Hannover
Erstmals seit ihrem Start am 14. August
ist die Karawane für die Rechte von Flüchtlingen am Wochenende
von der Polizei
aufgehalten worden. An Auseinandersetzungen
in der Innenstadt von Hannover waren außer Demonstranten und Polizisten
auch Angestellte des Sicherheitsdienstes
der städtischen Nahverkehrsbetriebe ÜSTRA beteiligt. Zwei Personen
wurden
vorübergehend festgenommen.
Die Karawane war am Freitag nachmittag
in der niedersächsischen Landeshauptstadt eingetroffen und auf dem
»Kröpcke«, einem Platz
im Zentrum, von örtlichen Flüchtlingsinitiativen begrüßt
worden. Nach der Kundgebung machten
sich die meisten Teilnehmer auf den
Weg zu einer weiteren Aktion vor der Justizvollzugsanstalt Schulenburg.
Etwa 15 Demonstranten wollten zur Fahrt
dorthin die U-Bahn benutzen. Nachdem sie in der Bahnstation Flugblätter
an
Passanten verteilt und ein paar Parolen
gerufen hätten, seien die Karawane-Leute von ÜSTRA-Bediensteten
zum
Verlassen des Bahngeländes aufgefordert
und in eine unterirdische Ladenpassage gedrängt worden, berichteten
Augenzeugen gegenüber jW. Dabei
sei es zu »Rangeleien« gekommen. Die ÜSTRA habe daraufhin
die Polizei gerufen.
Diese rückte auch schnell mit rund
30 Beamten und fünf Hunden an und setzte die Demonstranten mit der
Behauptung, sie
hätten Gleise besetzt und Hausfriedensbruch
begangen, fest. Zwei Karawane-Aktivisten wurden festgenommen. Ihnen
wird Widerstand und versuchte Gefangenenbefreiung
zur Last gelegt. Erst nach rund anderthalbstündigen Verhandlungen,
in die sich auch die Landtagsabgeordnete
der Grünen Silke Stokar einschaltete, öffnete die Polizei ihren
Ring. Begleitet von
mehreren Dutzend Polizisten konnten
die Demonstranten ihren Weg fortsetzen.
Während ein Polizeisprecher auf
Anfrage von einem »routinemäßigen Einschreiten«
der Beamten sprach, bezeichnete der
Geschäftsführer des Niedersächsischen
Flüchtlingsrates, Kai Weber, den Einsatz als »maßlos überzogen«.
Jedes
Wochenende würden »Zehntausende
grölender Fußballfans« von der Polizei durch Bahnhöfe
und Innenstadt eskortiert,
ohne daß sich jemand belästigt
fühle. Demgegenüber reichten offenbar einige antirassistische
Sprechchöre aus, um die
Staatsmacht auf den Plan zu rufen, sagte
Weber, der bei der Aktion anwesend war. Bündnis 90/Die Grünen
kündigten für
Montag eine Stellungnahme an.
Die Karawane zog am Samstag nach Bielefeld
und am Sonntag nach Büren weiter. Dort beteiligte sie sich am Nachmittag
an einer Demonstration gegen das bundesweit
größte Abschiebegefängnis.
Reimar Paul