Kurdische Flüchtlinge
Ablehnung von Asylanträgen
Anläßlich der zunehmenden Tendenz, die innerstaatliche Wanderung
von kurdischen Flüchtlingen zu verweigern, erklärten die innenpolitische
Sprecherin Ulla Jelpke und der PDS-Bundestagsabgeordnete Winfried Wolf:
Die Ablehnung von Asylanträgen und die darauf folgenden Abschiebungen
von kurdischen und türkischen Flüchtlingen in die Türkei
erfolgen meist unter Verweis auf eine unterstellte „innertürkische“
Fluchtmöglichkeit: Wenn zum Beispiel ein kurdischer Flüchtling
aus der Türkei darlegt, daß das Dorf, aus dem er stammt, heute
inmitten des Kriegsgebietes liegt und womöglich vom Militär zerstört
wurde, dann, so viele Urteile, könne sich diese Person in weniger
gefährdeten Gebiete in der Türkei niederlassen, zum Beispiel
in Istanbul.
Daß diese Unterstellung unmenschlich ist, ist bei Menschenrechtsorganisationen
und Flüchtlingsverbänden Konsens. In der Realität läuft
diese Argumentation darauf hinaus, die Vertreibung der Kurdinnen und Kurden
aus ihren Gebieten durch das türkische Militär zu akzeptieren,
wenn nicht zu unterstützen. Diese innerstaatliche Fluchtmöglichkeit
sieht dann so aus, daß die Vertriebenen in Elendsvierteln am Rand
der großen Städte, zum Beispiel Istanbul, quartieren müssen
- unter miserablen Lebensbedingungen, mit so gut wie keiner Aussicht auf
menschenwürdige Arbeit.
Seit diesem Sommer ist diese Argumentation noch aus einem anderen Grund
strikt abzulehnen: In der Türkei wächst die Tendenz, die innerstaatliche
Wanderung von kurdischen Flüchtlingen zu verbieten. Erstmals haben
Anfang August zwei Gouverneure von Orten an der Schwarzmeerküste verfügt,
daß ein Zuzug von Kurdinnen und Kurden in ihre Regionen verwehrt
wird. Im vorliegenden Fall geht es um traditionelle Bewegungen von Menschen
aus dem kurdischen Gebiet zur Saisonarbeit. Die Feststellung, wer als „Kurde“
zu qualifizieren ist, erfolgte dabei entsprechend des Wohnortes. Vergleichbare
Überlegungen zur Einschränkung der Freizügigkeit für
die kurdische Bevölkerung werden auch aus Kreisen der Stadtverwaltung
von Istanbul übermittelt.
Der Menschenrechtsverein IHD und andere demokratische Gruppen haben
gegen diesen offenen Rassismus protestiert, unter anderem mit einer Kundgebung
am 12. August in Istanbul, an der die deutsche Delegation teilnahm. Der
IHD forderte unter anderem die Absetzung der beiden Gouverneure.
Dabei wurde zu Recht darauf verwiesen, daß die neue Variante großtürkischer
Politik in einen gravierenden Konflikt mit den eigenen Grundlagen gerät.
Einerseits wird von der selben Seite betont, es gebe kein kurdische Volk,
womit auch die kurdische Sprache und Kultur diskriminiert und das Recht
auf Selbstbestimmung verwehrt wird. Andererseits wird nunmehr die Freizügigkeit
dieser spezifischen Bevölkerungsgruppe in der Türkei selbst eingeschränkt.
Für die bundesdeutsche Asylrechtspraxis ist die neue Situation
in der Türkei ein weiterer Grund für unsere Feststellung: Jede
Abschiebung von Kurdinnen und Kurden ist unmenschlich.