gemeinsame Presseerklaerung 29.08.1998
Istanbul: 180 Personen bei Kundgebung verhaftet
Menschenrechtsverein von Polizei besetzt
Im Zuge der gewaltsamen Aufloesung einer Menschenrechtskundgebung in
Istanbul wurden am heutigen Samstag insgesamt fast 180 Personen von der
Polizei verhaftet.
Jeden Samstag Mittag versammeln sich vor dem Galatasaray im Stadtteil
Taksim seit 173 Wochen die sogenannten "Samstagsmuetter", Angehoerige von
Menschen, die in Polizeihaft "verschwunden" sind. Sie fordern seit Jahren
mit friedlichen Mitteln die Aufklaerung der an ihren "verschwundenen" Verwandten
begangenen Verbrechen.
In den vergangenen Monaten kam es immer wieder zu UEbergriffen von
Polizeieinheiten gegen die "Samstagsmuetter". Am heutigen Tag wurde die
Kundgebung vollstaendig verhindert. Zeitgleich umzingelten Polizeieinheiten
um 12.45 Uhr den tuerkischen Menschenrechtsverein IHD und nahmen saemtliche
Personen fest, die das Gebaeude verlassen wollten. Dabei kam es zu 127
namentlich bekannten Verhaftungen. Um 15 Uhr Ortszeit wurden Bueros des
Vereines von der Polizei besetzt und nach Angaben aus Istanbul weitere
Personen festgenommen. Seitdem ist die Telefonverbindung unterbrochen.
Bei einer Razzia in umliegenden Cafes kam es zusaezlich zu ca. 30 Verhaftungen
durch die Polizei.
Unter den Inhaftierten befinden sich u.a. Emine Ocak, Hanife Yildiz
und Mueruevet OEzgen, deren Angehoerige als "verschwunden" gelten. Auch
die beiden Vizevorsitzenden des IHD, die AnwaeltInnen Eren Keskin und Osman
Baydemir wurden festgenommen. Der Vorsitzende des IHD-Istanbul, Ercan Kanar
wurde ebenso verhaftet, wie seine Stellvertreterin Zeynep Baran und die
Vereinsmitglieder Leyla Kaya, Mukaddes Samiloglu, Cemile Sahin, Nese Ozan,
Esra Akkaya, Muteber Yildirim, Alev Cevik, Safi Ekinci, Ismail Sarioglu,
Leman Yurtsever. Der bekannte Saenger und Menschenrechtler Sanar Yurdatapan,
die AnwaeltInnen Sedat Yueksel und Mercan Polat, die beiden oesterreichischen
StaatsbuergerInnen Juergen Stowasser und Nina Horacek, sowie zahlreiche
Mitglieder der Parteien OEDP (Partei fuer Freiheit und Solidaritaet) und
der vom Verbot bedrohten prokurdischen HADEP (Demokratische Volkspartei)
befinden sich ebenfalls in Haft.
Die Verhaftungen stehen in unmittelbarem Zusammenhang mit der fuer
die kommende Woche geplanten Friedenskarawane, zu der der Menschenrechtsverein
aufruft. Die Karavane soll am 31.8. Istanbul verlassen und am 1.9., dem
internationalen Antikriegstag in Diyarbakir eintreffen. Mit dieser Aktion
wollen KuenstlerInnnen, Intelektuelle und MenschenrechtsaktivistInnen aus
dem ganzen Land die Beendigung des Krieges in den kurdischen Provinzen
einfordern.
Bei Rueckfragen wenden Sie sich bitte an die Telefonnummer
0171-7127375 (Knut Rauchfuss)