01.09.1998
Politische Lösung des Kurden-Problems
unerwünscht
Ankara: Polizei nahm Teilnehmer
einer Friedensfahrt fest
Die türkische Polizei hat
am Montag in Ankara etwa 200 Teilnehmer einer geplanten Friedensfahrt festgenommen,
die mit ihrer Aktion für eine
politische Lösung des Kurden-
Konflikts werben wollten. Wie einer der Aktivisten sagte, wollte die Gruppe
mit Bussen nach Diyarbakir im
Südosten der Türkei
fahren. Der Konvoi sollte dort am heutigen Dienstag eintreffen.
Friedensaktivist Osman Baydemir
sagte, die Gruppe sei noch vor Besteigen der Busse von Polizisten festgenommen
worden. Baydemir gehört zu
den Festgenommenen, er sprach
über ein Handy von einer Polizeiwache aus. Die türkischen Behörden
haben die geplante Friedensfahrt als
Propaganda für die verbotene
Arbeiterpartei Kurdistans (PKK) bezeichnet, die für Autonomie kämpft.
Am heutigen Weltfriedenstag soll
der vom PKK- Vorsitzenden Abdullah Öcalan einseitig ausgerufene Waffenstillstand
in Kraft treten. Der türkische
Ministerpräsident Mesut Yilmaz
hat indes das Waffenstillstandsangebot am Wochenende bereits zurückgewiesen
und die PKK zur Kapitulation
aufgefordert. (AP/jW)
(Nachfolgend dokumentieren wir in Auszügen die Waffenstillstandserklärung der PKK anläßlich des Weltfriedenstages)
Erklärung der PKK zum Weltfriedenstag
Was von uns heute gewünscht
wird, ist, daß die PKK außer zur Lösung der kurdischen
Frage auch einen Beitrag zur Lösung der grundlegenden
Probleme der Türkei und zum
Frieden in der Region leistet. Solche Fragen werden uns ständig gestellt.
Unsere Antwort darauf ist: Wenn wirklich
die auf uns ausgeübte Gewalt
auch nur zum Teil zurückgenommen würde, wenn die menschlichen
Grundprinzipien und die Menschenrechte
verwirklicht, die Entwicklung
der Demokratie und ein Dialog über die politischen Probleme begonnen
würden, dann könnten wir ohne jeden Zweifel
behaupten, daß keine andere
Organisation und kein anderes Volk sich mehr nach friedlichen Vorgehensweisen
sehnt als wir. Deshalb hoffe ich, daß
diejenigen, die einen entsprechenden
Schritt von uns erwarten, dann auch dazu stehen und keine taktischen Spielereien
anfangen. Wir hoffen, uns
nicht zu irren. Es macht uns stolz,
den ersten Schritt zu unternehmen. (...)
Unser jetziges Vorgehen hat nichts
mit Schwäche oder Stärke zu tun. Wir sind davon überzeugt,
damit den Erfordernissen der Zivilisation und den
derzeitigen Erwartungen vollständig
zu entsprechen. Wenn wir uns die aktuelle Situation der Türkei ansehen,
dann ist ihr Hauptproblem ihre
Demokratisierung und nicht das
Kurdenproblem, auch wenn das diesen Anschein hat. Das Kurdenproblem und
die Nichteinhaltung der
Menschenrechte resultieren aus
undemokratischen Verhältnissen. (...)
Uns wird ein Angriff auf die Grundlagen
der Republik vorgeworfen. Wir greifen sie nicht an, im Gegenteil: Wir werden
extrem angegriffen. Es sind
die Eliten der Türkei, die
mit grenzenloser Gewaltanwendung die Grundlagen der Republik beschädigen.
(...) Nicht wir haben den Mafia- Banden
ihre Aktivitäten ermöglicht.
Sie haben diesen Banden gesagt: »Geht und tötet einen Revolutionär«
- und dazu haben sie ihnen grenzenlose
Möglichkeiten eröffnet.
Und es wird täglich in der Presse veröffentlicht. Dies alles
ist nicht gut für die Türkei. Um diese Zustände effektiver
zu
bekämpfen, sind wir bereit,
alles Notwendige zu tun. Diese Zusage mache ich nicht, weil wir schwach
wären, sondern weil wir der Brüderlichkeit
der Völker und der Demokratie
zutiefst verbunden sind.
Aus dieser Haltung heraus und um
den weltweiten Kräften für Frieden und ihrer Sehnsucht nach Frieden
am ersten September, dem
Weltfriedenstag, eine Antwort
zu geben, den Beschlüssen des Europaparlaments und der stärker
werdenden Öffentlichkeit der Türkei
entgegenzukommen, haben wir uns
zu folgendem Schritt entschlossen: Ab dem 1. September 1998 beginnt ein
Waffenstillstand. Seine Dauer ist
nicht festgelegt, die Länge
oder Kürze hängt nicht von uns ab, sondern von denjenigen ab,
die darauf Antwort geben und ernsthafte Schritte
unternehmen müssen. (...)
Abdullah Öcalan, Vorsitzender
der PKK
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