aus: FAZ, v. 7. 9. 1998
Israel sieht "Achse" mit der Türkei
Kritik der arabischen Nachbarn / Yilmaz auf Nahost-Reise
jöb. JERUSALEM, 6. September. Der türkische Premierminister
Yilmaz
hat am Sonntag in Jordanien eine dreitägige Nahost-Reise
begonnen.
An diesem Montag wird er in Israel erwartet, auch ein Besuch
bei
dem palästinensischen Autonomierat ist vorgesehen. Gesprächsthemen
sind bilaterale Bande, der Nahost-Prozeß und regionale
Fragen ge-
hören zur Tagesordnung. Die Türkei und Israel streben
nach einer
Kooperation, die die umliegenden arabischen Staaten zunehmend
be-
sorgt. Bislang wollten das Nato-Mitglied Türkei und der
jüdische
Staat die Zusammenarbeit nicht als gegenüber Dritten feindlich
be-
schrieben wissen. Jetzt scheint es aber Differenzen über
die In-
terpretation des Bündnisses zu geben. Israels Premierminister
Netanjahu spricht von "Achse"; Ankara hält eine solche erst
nach
einem umfassenden Nahost-Frieden für möglich.
In einem Gespräch mit der türkischen Zeitung "Milljet"
hofft Netan-
jahu auf ein "regionales Sicherheitsbündnis". Schon letzte
Woche
sprach Netanjahu von einer "israelisch-türkischen Achse".
Darauf
antwortete der türkische Botschafter in Tel Aviv, Özener,
in der
israelischen Zeitung "Haaretz": "Netanjahu irrt, sollte er glauben,
so ein Abkommen sei möglich, bevor Israel Friedensverträge
mit den
arabischen Nachbarn unterzeichne." Am Dienstag hatte der Premier-
minister vor jordanischen, türkischen und amerikanischen
Geschäfts-
leuten in Tel Aviv gesagt: "Die zentrale Achse zwischen Israel
und
der Türkei ist die Basis, wenn auch nicht ausschließliche
Grundla-
ge, zur Einrichtung eines regionalen Rahmens." Weiter sagte Netan-
jahu, er hoffe, auch Jordanien habe daran Anteil. Er habe in
diesem
Sinne schon mit Kronprinz Hassan von Jordanien gesprochen. Dieser
sprach in der vergangenen Woche der Türkei in einer Rede
in Amman
eine zentrale Rolle in der Region zu.
Die Türkei sei gegen neue Allianzen und neue Trennungen in
der Re-
gion, wurde hingegen ein türkischer Diplomat in Ankara zitiert.
"Ich kann mir nicht vorstellen, daß Netanjahu so eine Allianz
und
neue Trennung wünscht." Dabei ist die militärische
Kooperation
zwischen der Türkei und Israel seit einem Vertragsschluß
von 1996
eng. Israelische Flugzeuge trainieren über türkischem
Luftraum,
türkische Maschinen werden in Israel überholt. Zu diesem
Militär-
bündnis gehört auch Jordanien, dessen Luftwaffe ebenfalls
in Israel
versorgt wird. Zu dem Friedensvertrag zwischen Israel und Jordanien
soll zudem ein vertraulicher Anhang gehören, demzufolge
sich Israel
angegriffen sieht, sollten fremde Truppen Jordaniens Grenzen
über-
treten.
Die muslimischen Nachbarn erfüllen diese Absprachen mit Sorge.
Vor
allem Syrien sieht sich in der Zange zwischen Türkei und
Israel.
Zur Kurdenfrage und Wasserrechten im Grenzgebiet gibt es seit
Jahr-
zehnten Differenzen zwischen Damaskus und Ankara. "Yilmaz' Besuch
ist eine feindliche Maßnahme; arabische und islamische
Länder
sollten sich dagegen stellen und gemeinsam schädliche Ergebnisse
eindämmen", schrieb die syrische Zeitung "al Baath" am Sonntag.
Auch Iran und Ägypten kritisieren die Kooperation.
Zwischen Israel und der Türkei gibt es aber nicht nur Gemeinsam-
keiten. In der Zypern-Frage nimmt Israel Griechenlands Position
ein. Darüber will die Türkei allerdings hinwegsehen,
wenn es ihr
gelingen sollte, die sie belastende Ausgrenzung aus der Europä-
ischen Union durch eine Anbindung an Israel auszugleichen. Über-
dies wird vermutet, in Ankara hoffe man, es gebe über die
"jü-
dische Lobby" und Jerusalem Wege von Ankara nach Washington.
Israel sieht dies gerne; ist doch die Annäherung beider
Staaten
der wohl einzige außenpolitische Erfolg, den Netanjahu
vorweisen
kann. Yilmaz' Besuch ist der zweite Besuch eines türkischen
Pre-
miers in Israel seit 1993. Yilmaz wird von vier Ministern und
etwa
75 Vertretern der türkischen Wirtschaft begleitet.