Von EVANGELOS ANTONAROS
Athen - Vier Jahre lang haben sie sich blutig bekriegt - nun
soll Frieden sein. Nach sechsmonatiger Vorbereitung und mit
amerikanischer Vermittlung, die oft die Gestalt eines gar nicht
so sanften Druckes annahm, haben die beiden wichtigsten
Clanführer der kurdischen Bevölkerung im Nordirak
per Handschlag die Überbrückung ihrer Differenzen vereinbart:
Massud
Barsani und Dschalal Talabani.
Bei mehrtägigen Gesprächen unter der Aufsicht von US-Außenministerin
Madeleine Albright einigten sich die Demokratische
Partei Kurdistans (KDP) und die Patriotische Union Kurdistans
(PUK) auf die Bildung einer Übergangsregierung. Freie Wahlen
sollen im Sommer 1999 stattfinden.
Dennoch bleiben die Hintergründe dieser schwierigen Aussöhnung
unklar - der Wortlaut des vereinbarten Abkommens ist
wohlweislich nicht veröffentlicht worden.
Vermutlich hängt diese Geheimniskrämerei mit der Absicht
der USA zusammen, die beiden wichtigsten Kurdengruppen in ein
Bündnis gegen Iraks Diktator Saddam Hussein einzubinden.
Sie verfügen gemeinsam über etwa 70 000 teilweise
schwerbewaffnete Krieger (peshmerga).
Die amerikanischen Behörden haben neuerdings einen Betrag
von zehn Millionen Dollar zur Finanzierung der gegen Saddam
gerichteten Pläne freigegeben. Ein Rundfunksender mit Sitz
in Prag soll unter anderem versuchen, die irakische Bevölkerung gegen
das Regime in Bagdad zu mobilisieren.
Die Zuverlässigkeit der beiden kurdischen Gruppen als Partner
des Westens im nordirakischen Unruheherd ist jedoch äußerst
zweifelhaft. Seit der Einrichtung einer vom Westen garantierten
Schutzzone im Nordirak nach dem Golfkrieg haben sie sich, von
kurzen Unterbrechungen abgesehen, blutige Schlachten um Macht
und Einnahmen aus dem illegalen Ölgeschäft mit der Türkei
geliefert.
Tausende von Kurden kamen bei den bisher schlimmsten Zusammenstößen
im Sommer 1996 ums Leben, als Barsani und
Talabani, jeder für sich, nach der ganzen Macht griffen.
Talabani hatte sich mit Irans Mullahs verbündet; Barsani bat Bagdad
um
Hilfe und öffnete somit - zum erstenmal seit Ende des Golfkrieges
- das Kurdengebiet der Armee Saddam Husseins.
Die Folge: Innerhalb weniger Tage brach ein seit Jahren vom Westen
mühsam aufgebautes Informations- und Spitzelnetz
zusammen. Aus Angst vor irakischen Repressalien mußten
Tausende von kurdischen Informanten in die Türkei zwangsevakuiert
werden.
Der Zusammenbruch des kurzlebigen kurdischen Teilstaates im Nordirak
wurde nicht nur von Bagdad, sondern auch von der
Türkei mit stillem Wohlwollen begrüßt. Und zwar
nicht nur weil sich im Laufe der Zeit wegen des dort herrschenden
Machtvakuums Gruppen der radikalkurdischen PKK eingenistet hatten.
Ankara befürchtet zudem seit jeher, daß das Enstehen
eines Kurdenstaates auch die eigenen geschätzt 15 Millionen
Kurden auf ähnliche Ideen bringen könnte.
Den Schulterschluß mit Barsani hat die Türkei von
Anfang politisch kräftig ausgenutzt. Wann immer sie es für nötig
hielten, durften
Ankaras Generäle ihre Truppen jenseits der Grenze PKK-Kämpfer
jagen lassen.
Talabani seinerseits behauptet, dahinter stecke Absicht: Nach
jeder Aktion würden immer türkische Geheimagenten
zurückbleiben, die die inzwischen größeren Landstriche
im Nordirak kontrollieren würden. Langfristig plane die Türkei
die
Einverleibung dieser Gebiete. Ankara weist solche Behauptungen
regelmäßig als "Unsinn" zurück.
Aber noch vor Bekanntgabe der Vereinbarung zwischen Barsani und
Talabani hatte sich ein Sprecher des Außenministeriums in
Ankara gegen eine "autonome kurdische Behörde im Nordirak
als Dauereinrichtung" gewandt. Vermutlich mit Rücksicht auf
Ankaras Sicherheitsvorstellungen haben die beiden Kurdenchefs
unter anderem ausdrücklich vereinbart, daß sie der PKK künftig
im Nordirak "absolut keine Bewegungsfreiheit" gewähren
wollen.