Buersche Zeitung 19.9.98
Kirchen gewähren 22 Kurden Asyl
HASSEL: Flüchtlinge auf Wanderschaft von Kirche zu
Kirche
22 kurdische Flüchtlinge finden in den
kommenden Wochen Unterschlupf in
den Räumen der evangelischen
Lukasgemeinde. Seit Januar zieht die
Gruppe von Kirche zu Kirche und schützt sich mit diesem
Wanderasyl vor einer drohenden Abschiebung.
Für die Lukasgemeinde ist die Situation nicht neu. Mehrfach
schon nahm sie Gäste für eine vorübergehende Zeit auf. Zum
ersten Mal wird sie dabei von den katholischen
Nachbargemeinden St. Michael und St. Pius unterstützt.
Gemeindereferent Hermann Spickermann berichtet, daß
Kirchenvorstände und Pfarrgemeinderäte der beiden katholischen
Gemeinden kontrovers diskutiert, sich aber für die Hilfe
entschlossen hätten.
Die Gefahr der Abschiebung ist für die 22 Kurden, die heute in
Hassel eintreffen, zur Zeit gering. Das nordrhein-westfälische
Innenministerium toleriert diese Form des Asyls, die Stadt
Gelsenkirchen hat gegenüber den Gemeinden Zurückhaltung
signalisiert. Einen Rechtsanspruch auf Verbleib in Deutschland
haben die Flüchtlinge zur Zeit aber nicht.
Für den evangelischen Pfarrer Dr. Rolf Heinrich ist das
Wanderasyl auch ein Form des Protestes gegen die
menschenunwürdige Situation von illegalisierten Menschen in der
Bundesrepublik und gegen eine Abschiebung von kurdischen
Flüchtlingen. Ihnen drohe in der Türkei nach wie vor Verfolgung
und Folter, berichtet Anne Gudjons-Römer vom Ausländer- und
Flüchtlingsbüro des evangelischen Kirchenkreis. Daß kurdische
Flüchtlinge von der Bundesrepublik abgeschoben werden, stößt
bei allen Menschenrechtsorganisationen auf harsche Kritik.
Das Leben, berichtet Dr. Heinrich, sei für in der Bundesrepublik
illegal lebende Menschen schwierig. Kinder können weder
Kindergarten noch Schule besuchen, Arztrechnungen müssen aus
eigener Tasche bezahlt werden.
Die 22 kurdischen Flüchtlinge - eine Großfamilie, eine
alleinstehende Person und zwei weitere Familien - werden drei,
vier Wochen in Hassel bleiben. Kindergärten, Grund- und
Hauptschule haben sich bereit erklärt, Kinder für diese Zeit
aufzunehmen, die Gemeinden haben Ärzte gefunden, die im
Notfall kostenlos kranke Flüchtlinge behandeln wollen. Betten hat
das Deutsche Rote Kreuz zur Verfügung gestellt. -ww