taz 21.91998
                      In Deutschland politisch aktiv, in der Türkei gefoltert

                      27jähriger Kurde wird in der Türkei gefoltert, nachdem er
                      sich in der Bundesrepublik für die extremistische PKK
                      engagiert hat. Gericht verfügte Abschiebung, weil es keine
                      Gefahr sah

                      Hannover (taz) - Wegen politischer Aktivitäten in der
                      Bundesrepublik, welche die deutsche Justiz nicht als
                      Abschiebehindernis ansah, hat der 27jährige Kurde Hüsni Almaz
                      nach Angaben des niedersächsischen Flüchtlingsrates in seiner
                      Heimat schwere Mißhandlungen erdulden müssen. Der 27jährige,
                      der im Sommer fünf Wochen nach seiner Ankunft in der Türkei
                      verhaftet wurde, sieht jetzt einem Gerichtsverfahren wegen
                      "Hilfeleistung und Unterstützung der PKK" und einer mehrjährigen
                      Haftstrafe entgegen.

                      Das Verwaltungsgericht Osnabrück hatte nach Angaben des
                      Flüchtlingsrates im März dieses Jahres die politischen Aktivitäten
                      des 27jährigen in der Bundesrepublik als unbedeutend eingestuft.
                      Es sei in hohen Maße unwahrscheinlich, so begründete das Gericht
                      seine Ablehnung des Asylantrages, daß dem jungen Mann aufgrund
                      von Teilnahme an Kurdendemonstrationen und Veranstaltungen
                      oder aufgrund von Interviews, die vom kurdischen Fernsehsender
                      MED-TV ausgestrahlt worden waren, eine politische Verfolgung
                      drohe.

                      Die dem Flüchtlingsrat vorliegende Anklageschrift, über die das
                      Staatssicherheitsgericht Diyarbakir am 29. September verhandeln
                      will, wirft Hüsni Almaz nun genau vor, er habe in der
                      Bundesrepublik für die PKK demonstriert, plakatiert und an
                      PKK-Veranstaltungen teilgenommen. Die Gerichtsakten enthielten
                      auch ein inzwischen widerrufenes Geständnis, das der 27jährige
                      unterschrieben habe, nachdem er Ende Juli auf der
                      Gendarmeriewache in Derik schwer gefoltert worden sei, sagte ein
                      Sprecher des Flüchtlingsrates. Türkische Soldaten hätten im April
                      1997 überdies die Mutter des Mannes zusammengeschlagen,
                      nachdem der kurdische Sender MED-TV ein in der
                      Bundesrepublik aufgenommenes Interview mit ihrem Sohn
                      ausstrahlte. Diesen Vorfall habe das Verwaltungsgericht Osnabrück
                      später in seiner Asylentscheidung als irrelevant eingestuft.

                      Verfolgung und Folter droht nach Angaben des Flüchtlingsrates
                      auch dem kurdischen Flüchtling Isa Ötles, für dessen Abschiebung
                      jetzt das Verwaltungsgericht Hannover grünes Licht gegeben hat.
                      1993 war der ebenfalls 27jährige Ötles an einer versuchten
                      Besetzung des türkischen Konsulats in Hannover beteiligt. Wegen
                      der gleichen Besetzung war der Flüchtling Mehmet Ali Akbas nach
                      seiner Abschiebung in der Türkei verhaftet und schwer gefoltert
                      worden. Die deutschen Behörden erlaubten deswegen im Mai seine
                      Wiedereinreise in die Bundesrepublik.

                      Jürgen Voges