Das Feldbett ist ein
Krankenlager
HASSEL: Kurdische Flüchtlinge Gäste der
Lukasgemeinde
Der Begrüßung im
Dietrich-Bonhoeffer-Haus konnte der
36jährige Flüchtling nicht beiwohnen. Er
hockte im Schlafanzug mit unsäglichen
Schmerzen in seinem kleinen Zimmer des Gemeindezentrums.
Das Rückenleiden - es ist offensichtlich die Folge der Folter in
der Türkei.
Die evangelische Lukasgemeinde nahm am Wochenende 22
kurdische Flüchtlinge in ihren Räumen auf. Die Gruppe befindet
sich "im Wanderasyl"; sie zieht von Gemeinde zu Gemeinde, um
sich auf diesem Wege vor der drohenden Abschiebung in die
Türkei zu schützen.
Eine zehnköpfige Familie bezog am Samstag den großen Raum
im Gemeindezentrum. In der Mitte haben sie die Tische
zusammengeschoben, an den Wänden stehen die schmalen
Feldbetten, die das Deutsche Rote Kreuz (DRK) zur Verfügung
gestellt hat. Ihr Hab und Gut steckt in einigen wenigen Koffern
und Plastiktüten. 1993 kam die Familie nach Deutschland, lebte
in Ahlen. Dreieinhalb Jahre, erzählt der Vater in gebrochenem
Deutsch, habe er in Ahlen gearbeitet. Doch dann verfügten die
Behörden die Abschiebung der Familie. Wo soll er mit seiner
Familie bleiben?, fragt der Vater. Das Heimatdorf sei vollständig
zerstört, die 4000 Einwohner in die "weite Welt" zerstreut.
Und dann führt er uns zu seinem 36jährigen Landsmann, der im
Gemeindezentrum ein "Einzelzimmer" zur Verfügung hat. Das
schmale Bett - es ist sein Krankenlager. Der Mann bedürfe,
erzählt Pfarrer Dr. Rolf Heinrich, dringend einer Operation. Das
schmerzhafte Rückenleiden ist, ärztliche Atteste weisen das aus,
wohl auf Folterungen in der Türkei zurückzuführen. Die
Operation kostet aber 60 000 Mark. Und krankenversichert sind
die "illegal" in Deutschland lebenden Menschen nicht.
Pfarrer Martin Hurraß hieß im Namen der evangelischen
Lukasgemeinde und der katholischen St.-Pius- und
St.-Michael-Gemeinde die 22 kurdischen Flüchtlinge
willkommen. Es sei bemerkenswert, daß fremde Menschen die
Christen in Hassel zusammenrücken ließen. "Die Not der
Menschen muß mehr in den Blickpunkt gerückt werden", nannte
Hurraß Sinn und Zweck des Wanderasyls.
Die Flüchtlinge bleiben voraussichtlich drei, vier Wochen in
Hassel. -ww