Konflikt Türkei kontra PKK wieder verschärft
Separatistische Kurden haben eine einseitig erklärte Waffenruhe
schon nach zwei Wochen beendet; jetzt wird in Südostanatolien wieder
heftig gekämpft.
Von unserem Korrespondenten MARTIN PETER
ISTANBUL.
Gut zwei Wochen hatte die am
1. September einseitig erklärte Waffenruhe der separatistischen
Arbeiterpartei Kurdistans (PKK) gedauert. Dann verkündete der PKK-Vorsitzende
Abdullah Öcalan nach kurzer Zeit auch schon wieder das Ende des Waffenstillstandes.
Seither sind bei heftigen Gefechten zwischen PKK-Kämpfern und den
türkischen Sicherheitskräften in Südostanatolien wieder
Dutzende Menschen getötet worden.
Öcalan hatte sein Angebot vom 1. September als „historische
Chance“ für alle Konfliktparteien angepriesen: „Ähnlich wie in
Nordirland muß sich endlich die Vernunft durchsetzen.“ Doch Ankara
lehnte das Friedens- und Gesprächsangebot sogleich rundweg ab: „Wir
sprechen nicht mit Mördern“, beschied Premier Mesut Yilmaz dem PKK-Führer.
Der neue türkische Generalstabschef Hüseyin Kivrikoglu verlangte
von Öcalan die „bedingungslose Kapitulation“. Die Reaktion des Guerilla-Chefs
darauf wiederum war, daß er einen „neuen Feldzug gegen den faschistischen
türkischen Staat“ ankündigte.
Die Stimmung in der Kurdenfrage hat sich zuletzt wieder deutlich verschärft.
In Istanbul wird seit Mitte August den sogenannten Samstagsmüttern,
zumeist kurdischen Frauen, deren Männer und Söhne während
der Haft verschwunden sind, verboten, ihren Proteststreik abzuhalten. Unter
dem Vorwand, mit der PKK „gemeinsame Sache“ zu machen, wurden sie mit Knüppeln
von ihrem Versammlungsort vertrieben. Drei Jahre lang hatten sie vergeblich
Auskunft über das Schicksal ihrer Angehörigen verlangt.
Schwimmers Bericht
In Izmir wurden zudem fünf schulpflichtige Mädchen sieben
Stunden von der Polizei verhört, weil sie für ihre Zeichnungen
die Farben rot-grün-gelb verwendeten; die drei Farben gelten als Markenzeichen
der separatistischen PKK.
Trotz der wachsenden Spannungen attestiert der provisorische Bericht
einer Beobachter-Kommission des Europarates den türkischen Behörden
aber einen „fortschreitenden Normalisierungsprozeß“ im kurdischen
Südosten. Nach einem Besuch der Provinz Diyarbakir vermerkten der
Österreicher Walter Schwimmer und sein ungarischer Ratskollege Andreas
Barsony „positive Veränderungen“ seit ihrem letztem Besuch Anfang
1997. Die Untersuchungshaft sei verkürzt worden, und den Angeklagten
werde das Recht eingeräumt, Anwälte zu kontaktieren.
Allerdings beklagten die Delegierten aus Straßburg, daß
die Antiterrorgesetze den Behörden weiterhin erlaubten, mißliebige
Personen willkürlich festzunehmen. Schwimmer bedauerte zudem,
daß Diyarbakirs Zentrum zur Rehabilitierung von Folteropfern geschlossen
worden sei. Damit bestätigte er auch, daß hinter den Kerkermauern
der Kurdenmetropole wehrlose Gefangene ungeachtet weltweiter Proteste weiterhin
körperlich mißhandelt werden.