Türkische Führung verschärft
den Terror
Druck auf Istanbuler Samstagsmütter
nimmt nach PKK-Waffenruhe zu
Die Polizeiaktion gegen die türkischen
Samstagsmütter vom vergangenen Wochenende sorgt immer noch für
Aufsehen. Die 175. Protestaktion der
Frauen in Istanbul am 19.September
war von den Sicherheitskräften gewaltsam aufgelöst worden, bevor
die wöchentliche Protesterklärung
verlesen werden konnte. 22 Personen
wurden verhaftet. Seit mehr als drei Jahren protestieren die Istanbuler
Samstagsmütter, die Angehörigen der
Verschwundenen in der Türkei,
jeden Samstag auf dem Galatasaray-Platz in Istanbul. Sie fordern die Rückkehr
ihrer Angehörigen und Ermittlungen
gegen die Verantwortlichen für
das »Verschwindenlassen«.
Von Anfang an waren die Samstagsmütter
immer wieder den Repressionen des türkischen Staates ausgesetzt. »Es
ist schon passiert, daß ich auf
der Polizeiwache so verprügelt
wurde, daß ich am ganzen Körper blaue Flecken hatte«,
äußerte Emine Ocak, eine der Istanbuler Samstagsmütter,
gegenüber jW. »Sie
können mich einsperren und schlagen, so oft sie wollen. Trotzdem werde
ich jeden Samstag wiederkommen. So lange, bis die
Verantwortlichen am Tode meines
Sohnes zur Rechenschaft gezogen werden.« Die Familie Ocak initiierte
mit Unterstützung des türkischen
Menschenrechtsvereins IHD und
Angehörigen anderer Verschwundener die wöchentlichen Sitzstreiks,
nachdem Hasan Ocak nach seiner
Verhaftung spurlos verschwand
und seine Leiche 55 Tage später gefunden wurde.
Seitdem der Vorsitzende der kurdischen
Arbeiterpartei PKK, Abdullah Öcalan, der türkischen Regierung
eine bedingungslose Waffenruhe, die am
1. September in Kraft trat und
von der Guerilla auch eingehalten wird, vorschlug, haben sich die Repressionen
des türkischen Staates
bezeichnenderweise verschärft.
Eine Reihe von Parteien und Organisationen - darunter auch die Samstagsmütter
- unterstützten diese
Friedensinitiative in einem Aufruf.
Darauf folgte eine Welle von Verhaftungen Oppositioneller. Fast 250 Angehörige
und Unterstützer der
Samstagsmütter wurden seit
dem 15. August bei den wöchentlichen sit-ins festgenommen, manche
von ihnen sogar schon auf dem Weg zum
Galatasaray-Platz.
Birgit Gärtner, Istanbul