Der Friede im Nordirak irritiert die Türkei
Nach Vermittlung der USA haben zwei Kurdenführer ihren blutigen
Zwist beigelegt
Die Türkei beäugt den Händedruck zwischen zwei Kurdenführern
im Nordirak mit Skepsis. Ankara befürchtet, daß dieser Schritt
der Anfang zu einem autonomen kurdischen Staat sein könnte.
Von Astrid Frefel, Istanbul
Ein Händedruck, beklatscht von US-Außenministerin Madeleine
Albright, besiegelte den neuesten Versuch der beiden verfeindeten Kurdenführer
für einen Friedensschluß im Nordirak. Massoud Barzani, der Vorsitzende
der Demokratischen Partei Kurdistans (KDP) und Jalal Talabani, der Chef
der Patriotischen Union (PUK) unterzeichneten in Washington ein Übereinkommen,
das den jahrelangen, blutigen Zwist unter den beiden kurdischen Fraktionen
beenden soll.
Aus Ankara gibt es allerdings keinen Applaus für diese Vereinbarung,
denn sollte das Kriegsbeil diesmal wirklich begraben werden, würde
dies den politischen Bewegungsspielraum der Türkei in diesem Gebiet
massiv einschränken. Man wolle zuerst alle Details des Abkommens erörtern,
hieß es in der offiziellen Stellungnahme.
Die neue Initiative der USA kam zustande, weil der Friedensprozeß
in der Region eingeschlafen war. Unter Vermittlung der Türkei sollte
eine Lösung gesucht werden. Da Ankara aber einseitig Partei für
die Seite der Demokratischen Partei Kurdistans ergriffen habe, ging der
Status als glaubwürdiger Vermittler verloren und damit auch die Möglichkeit,
Einfluß auszuüben.
Als Kriterium der Türkei für die Sympathie zu diesen beiden
kurdischen Fraktionen gilt immer ihrer Stellung zur PKK. Die PKK benützt
den Nordirak als Rückzugsgebiet und unterhält dort verschiedene
Lager. Die türkischen Militärs vermuten, daß sich rund
2000 PKK-Kämpfer in den Bergen aufhalten. Regelmäßig
führt die türkische Armee deshalb militärische Operationen
in dieser Region aus. In ihrer Übereinkunft haben die KDP und die
PUK nun unterstrichen, daß die PKK nicht länger in dieser Gegend
bleiben dürfe, sich beide Parteien aber auch gegen jede Grenzverletzung
wehren würden. Damit würde auch den Aktionen der türkischen
Sicherheitskräfte ein Riegel vorgeschoben.
Noch beunruhigender für die Türkei sind aber die politischen
Vereinbarungen zwischen Barzani und Talabani. Im kommenden Sommer sollen
Wahlen für das regionale Parlament in Erbil abgehalten werden. Bis
dahin wollen die beiden Gruppen das Gebiet gemeinsam verwalten. Im Rahmen
des irakischen Staates genießt der kurdische Norden weitgehende Autonomie.
Türkische Beobachter befürchten nun, eine funktionierende Autonomie
könnte ein erster Schritt zu einem unabhängigen kurdischen Staat
sein.
Aber schon ein autonomes Gebiet in den Grenzen des Iraks könnte
den internationalen Druck auf die Türkei erhöhen, nach diesem
Muster eine ähnliche Lösung für das Kurdenproblem im eigenen
Land zu suchen. Sollte auch der von PKK-Chef Abdullah Öcalan verkündete
einseitige Waffenstillstand halten, würde es für Ankara immer
schwieriger zu begründen, warum auch jetzt nicht nach politischen
Lösungen gesucht wird.