HANDELSBLATT, Montag, 28. September 1998
afp ISTANBUL. Die Türkei erhofft sich vom Regierungswechsel in
Deutschland eine Verbesserung ihrer gespannten Beziehungen zu Bonn.
Vize-Ministerpräsident Bülent Ecevit sagte am Montag in Ankara,
er
hoffe, daß der designierte Bundeskanzler Gerhard Schröder
(SPD) seine
"konstruktiven" Äußerungen über das Verhältnis
zur Türkei auch umsetze.
Schröder hatte vor der Bundestagswahl in Interviews mit türkischen
Medien erklärt, er werde sich bei einem Wahlsieg für bessere
Beziehungen zwischen Bonn und Ankara einsetzen. Von der neuen
Bundesregierung erwarten viele Türken besonders eine Reform des
Staatsbürgerschaftsrechtes sowie Unterstützung bei der Heranführung
der
Türkei an die EU. Auch die Presse begrüßte den Machtwechsel
in
Deutschland. "Lebe wohl, Kohl", titelte die Tageszeitung "Hürriyet".
Vom türkischen Ministerpräsidenten Mesut Yilmaz, der sich
derzeit in
Mexiko aufhält, lag zunächst keine offizielle Stellungahme
vor.
Türkische Journalisten berichteten aber, Yilmaz habe erfreut auf
die
Nachricht von der Abwahl von Kanzler Helmut Kohl (CDU) reagiert. Yilmaz
hatte Kohl persönlich für das Scheitern des türkischen
EU-Aufnahmeantrages beim Gipfeltreffen in Luxemburg im vergangenen
Dezember verantwortlich gemacht. Der für Europafragen zuständige
türkische Staatsminister Sükrü Sina Gürel sagte
nach einer Meldung der
Nachrichtenagentur Anadolu, der Regierungswechsel in Deutschland berge
die Chance, den Dialog zwischen beiden Ländern zu verbessern.
"Daß sich
darüber hinaus etwas Grundsätzliches ändern wird, glaube
ich nicht",
schränkte er ein. In diplomatischen Kreisen hieß es ebenfalls,
die hohen
Erwartungen an Schröder könnten zu Enttäuschungen führen.