Keine Antwort aus Ankara
Türkei: Trotz der Gesten
von PKK-Chef Öcalan setzt Regierung auf Gewalt
Zu Beginn der Woche meldete die
türkische Tageszeitung Milliyet, daß PKK-Chef Öcalan auch
für das Gebiet im Nordirak, in dem sich seit Jahren
die von Ankara unterstützte
Demokratische Partei Kurdistans (DPK) von Massud Barsani und die PKK bekriegen,
einen einseitigen
Waffenstillstand verkündet
habe. Die Zeitung beruft sich auf den kurdischen Sender Med-TV, in dem
Öcalan eine entsprechende Erklärung
abgegeben habe. Nachfragen und
die Überprüfung dieser Meldung ergeben jedoch ein etwas anderes
Bild.
Tatsächlich hat Öcalan
auch für den Nordirak eine Waffenruhe in Aussicht gestellt und die
Bereitschaft der PKK zu einem Waffenstillstand
bekundet. Allerdings erwartet
er von der Gegenseite, von der durch die Türkei untersützten
DPK, daß sie sich ebenfalls zu einem solchen Schritt
entschließt. Das ist aber
bis jetzt noch nicht geschehen.
Damit scheint sich zu wiederholen,
was bereits von der türkischen Regierung als Marschroute vorgegeben
wurde. Bereits am 28. August hatte
Öcalan in einer Fernseh-
Pressekonferenz in Med-TV angekündigt, daß die kurdische Guerilla
ab dem 1. September, dem Weltfriedenstag, einen
Waffenstillstand erklären
werde, der für die kurdischen Gebiete in der Türkei gilt. Nach
Angaben Öcalans sollte dieser zum dritten Mal seit Beginn
der bewaffneten Kämpfe vor
fast 15 Jahren einseitig verkündete Waffenstillstand ein erster Schritt
sein, um Bedingungen für eine nicht- militärische
Lösung für Türkisch-Kurdistan
zu schaffen.
Doch die ersten Reaktionen aus
Ankara waren erwartungsgemäß ablehnend. Bisher hat die türkische
Regierung auf die einseitigen
Waffenstillstandserklärungen
der PKK stets stereotyp reagiert: Mit »Terroristen« gebe es
keine Verhandlungen. Es wurde noch stets die
»militärische Lösung«,
die Vernichtung der kurdischen Guerilla, propagiert.
Damit der diesmal verkündete
Waffenstillstand nicht wieder in gewohnten Weise verstreicht und der seit
1984 tobende Krieg in den kurdischen
Gebieten der Türkei nicht
unvermindert weitergeht, forderte Anfang September ein breites Spektrum
verschiedener deutscher Organisationen von
den USA, den europäischen
Staaten und nicht zuletzt von der türkischen Regierung, einer politischen
Lösung unter Vermittlung Dritter den Weg zu
ebnen. Eine entsprechende Erklärung,
die von dem Dialog-Kreis »Krieg in der Türkei - Die Zeit ist
reif für eine politische Lösung« herausgegeben
wurde, unterzeichneten der Bayerische
Flüchtlingsrat, der Bund für Soziale Verteidigung, das Komitee
für Grundrechte und Demokratie, der
Bundeskongreß entwicklungspoltischer
Aktionsgruppen, die Kampagne gegen Rüstungsexport, medico international,
Pax Christi, Pro Asyl und eine
Reihe weiterer Gruppen. In der
Erklärung heißt es: »Wir fordern die Regierung und den
Nationalen Sicherheitsrat der Türkei auf, sich doch noch für
eine konstruktive, den Krieg deeskalierende
Antwort mit dem Ziel einer politischen Lösung des Konflikts zu entscheiden.«
In der Zwischenzeit hat nach Angaben
des Kurdistan- Informations-Zentrums in Köln der PKK-Vorsitzende Öcalan
in einer Mitte September
abgegebenen Erklärung zwar
angekündigt, den Waffenstillstand zu beenden, wenn es keine offiziellen
Reaktionen der türkischen Seite gebe und die
»Gegenseite weiter ihre
Köpfe in den Sand« stecke. Die daraufhin in verschiedenen Medien
verbreitete Nachricht, der Waffenstillstand der PKK
sei von Öcalan zurückgenommen
worden, sei aber falsch. Der einseitige Waffenstillstand habe noch immer
Bestand, und die PKK sei weiterhin
bereit, einer friedlichen Lösung
den Weg zu ebnen.
Thomas W. Klein