Vermittlung der USA vergrätzt die Türkei
Eigentlich gehörten die Amerikaner zu den allerletzten Freunden,
welche eine verunsicherte Türkei in einer Welt von Feinden noch besaß.
Schließlich hatte Washington, anders als die angeblich so kurzsichtigen
Europäer, die bedeutende geostrategische Rolle der Türkei als
Brücke zu den rohstoffreichen kaukasischen und zentralasiatischen
Staaten anerkannt. Anders als Europa waren die USA aus diesem Grunde auch
bereit, über die eine oder andere Menschenrechtsverletzung in Ankara
hinwegzublicken.
Alles vorbei: Türkische Massenmedien und Politiker haben erneut
das noch immer geschärfte Schwert des Anti-Amerikanismus hervorgeholt.
Anlaß war das vorige Woche in Washington unterzeichnete Abkommen
zwischen den beiden kurdischen Clanchefs aus Nord-Irak, Dschalal Talabani
und Massud Barsani. Die Türkei, voran ihr stellvertretender Premierminister
Bülent Ecevit, reagierte darauf in einer Heftigkeit, als wollten sich
die USA an der territorialen Integrität der Republik vergreifen.
Angst vor Verlust der Marionette
Ecevit, als Alt-Sozialist mit nationalistischem Anstrich gleich aus
zwei Gründen anti-amerikanisch orientiert, unterstellte Washington,
in Nord-Irak einen unabhängigen Kurdenstaat errichten zu wollen –
mit unwägbaren Folgen für den kurdisch besiedelten Teil der Türkei.
Außerdem entdeckte er in dem Abkommen einen Passus, der es der türkischen
Armee künftig untersagt, bei der Verfolgung der separatistischen „Arbeiterpartei
Kurdistans“ auf irakischem Territorium zu operieren. Tatsächlich verpflichteten
sich Barsani und Talabani mit amerikanischem Segen, Grenzverletzungen jeder
Art zu verhindern – „sei es durch Terroristen oder durch andere“.
Washington reagierte auf die Schelte aus Ankara „überrascht und
verwirrt“, vielleicht auch deshalb, weil Ecevit gleichsam aus Protest wieder
einen Botschafter nach Bagdad entsandte. Nach Ansicht politischer Beobachter
zürnt die Türkei auch deshalb, weil ihr mit der Abmachung von
Washington ihre kurdische Marionette Barsani abhanden kommen könnte.
Der hatte brav stets die türkische Armee im Kampf gegen die PKK unterstützt
und sogar den einstigen PKK-Vize Semdin Sakik, der bei ihm Asyl gefunden
hatte, an Ankara ausgeliefert.
Irritiert zeigte sich die offizielle Türkei auch, als nicht nur
die EU-Staaten, sondern auch die USA das umstrittene Urteil gegen den populären
islamistischen Bürgermeister Istanbuls, Recep Tayyip Erdogan, öffentlich
rügten. Einmütig entdeckten die Massenmedien darin eine Einmischung
in innere Angelegenheiten. Der angesehene Hürriyet-Kommentator Emin
Cölasan ging sogar soweit, die amerikanische Generalkonsulin in Istanbul,
Caroline Huggins, in seiner Kolumne ganz persönlich anzugreifen: „Wer
glaubst du denn, wer du bist, daß du so etwas sagen kannst?“
Wolfgang Koydl