Letzte Runde im Poker um kaspisches Öl
Die Türkei plädiert für eine Pipeline direkt zum Mittelmeer
Beim Öl-Gipfel in Ankara haben die Staatschefs verhandelt, wie
das Öl aus Aserbeidschan künftig auf die Weltmärkte gelangen
soll. Die türkische Regierung will eine eigene Pipeline bauen.
Von Astrid Frevel, Istanbul
An einen Öl-Gipfel in Ankara trafen sich Staatschefs aus dem kaspischen
Becken und Zentralasiens. Dabei bekundeten die Präsidenten der Türkei,
Aserbaidschans, Usbekistan, Georgiens, Kasachstans und der amerikanische
Energieminister ihre Untersützung für eine Ölpipeline durch
die Türkei. Diese soll das aserbaidschanische Öl aus Baku über
Georgien direkt zum türkischen Mittelmeerhafen von Ceyhan bringen.
Die Türkei und die USA werfen ihr ganzes Gewicht in die Waagschale,
um den Öl-Poker in letzter Minute doch noch zu gewinnen. In wenigen
Tagen wird entschieden, über welche Route das kaspische Öl in
Zukunft zu den Weltmärkten gelangen soll. Diese Routenwahl liegt zwar
bei der Regierung in Baku, da sie aber nicht in der Lage ist die Finanzierung
selbst aufzubringen, wird sie sich auf die Empfehlung des Förderkonsortiums
(AIOC) stützen. Dieses umfasst zwölf private und staatliche Firmen
unter Führung von BP und Amoco. Zur Debatte stehen zwei grundsätzlich
verschiedene Varianten. Die eine führt von Baku zu einem der Schwarzmeerhäfen
Novorossisk in Russland oder Supsa in Georgien und dann mit Tankern ins
Mittelmeer; die andere direkt über eine 1730 Kilometer lange Pipeline
von Baku ans Mittelmeer.
Das Förderkonsortium scheint aus wirtschaftlichen Gründen
der Variante nach Supsa über eine bestehende Pipeline den Vorzug zu
geben. Sinkende Ölpreise und Fördermengen, die unter den Erwartungen
liegen, gaben den Ausschlag. Ankara macht gegen diese Lösung vor allem
ökologische Bedenken geltend. Man werde keine zusätzlichen Öltanker
auf dem Bospurus akzeptieren, sondern im Gegenteil Maßnahmen ergreifen,
um diesen Verkehr zu reduzieren, erklärte der türkische Aussenminister
Ismail Cem.
Der Bosporus ist eine 31,7 Kilometer lange Meerenge zwischen Europa
und Kleinasien, die das Schwarze Meer mit dem Marmarameer verbindet.
An ihren beiden Ufern erstreckt sich Istanbul mit seinen zwölf Millionen
Einwohnern. An der engsten Stelle ist der Bosporus nur 700 Meter breit
und mehrere schwer steuerbare Biegungen machen ihn zu einer der gefährlichsten
Wasserstrassen. 1997 passierten 51000 Schiffe die Meerenge, davon 4500
Tanker, die 63 Millionen Tonnen Öl mitführten. Bei 13 Tankerbränden
verloren in den letzten 40 Jahren 92 Menschen das Leben.
Aus Angst vor Unfällen und Bränden, die zu einer Katastrophe
für die Metropole führen könnten, verlangen Umweltschutzgruppen
und türkische Politiker strengere Sicherheitsauflagen für den
Transit durch den Bosporus. Ein elektronisches Leitsystem, das den Verkehrsfluß
automatisch steuern wird, soll im Jahre 2000 den Betrieb aufnehmen.
Die Türkei kann aber nicht beliebig Beschränkungen einführen,
denn gemäß der Konvention von Montreux aus dem Jahr 1936 muß
dieses wichtige Wasserstrasse für die Schwarzmeer-Anrainer offenstehen.
Neben den ökologischen Gründen sind es natürlich ganz
klare wirtschaftliche Interesse, die Ankara bewegen, die Baku-Ceyhan-Lösung
zu forcieren. Transitgebühren und Investitionen in Ceyhan versprechen
ein Milliarden-Geschäft. Für die USA stehen dagegen strategische
Überlegungen im Vordergrund. Zum einen soll der Einfluß Russlands
auf die neu entstandenen Staaten der Region zurückgebunden werden
und zum andern unterstützen die USA ihren engen Verbündeten,
die Türkei, in ihren Bestrebungen eine Brückenfunktion zwischen
dem Westen und Zentralasien aufzubauen.