Wenn zwei Nachbarn streiten, will sich Israel raushalten
Trotz der Allianz mit der Türkei verlegt sich die Regierung Netanyahu
im aktuellen Konflikt auf eine „neutrale Rolle“
Von Inge Günther (Jerusalem)
Bei aller Freundschaft zu Ankara - aus diesem Konflikt hält sich
Israel demonstrativ heraus. Mit den wachsenden syrisch-türkischen
Spannungen will man nichts zu tun haben, umso mehr als nicht nur in Damaskus
sondern auch in Teheran verbale Attacken gegen die israelische Regierung
wegen vorgeblicher Mitschuld an der aktuellen Krise geführt werden.
Bereits am Wochenende befahl der israelische Verteidigungsminister Yitzhak
Mordechai der Armee, die Routinekontrollen an der Grenze zu Syrien herunterzufahren.
„Um jenseits jeglichen Zweifels klarzumachen“, wie es Verteidigungssprecher
Avi Benayahu ausdrückte, daß Israel in dem Disput zwischen Syrien
und der Türkei keine Partei ergreifen werde.
Ein deutliches Signal, doch so leicht dürfte sich das Mißtrauen
in der arabischen Welt gegenüber der enggeknüpften israelisch-türkischen
Allianz nicht entkräften lassen. Die militärische Kooperation
beider Staaten bis hin zum Austausch von Geheimdienstinformationen gilt
in der Region als einzigartig. Entsprechend einer im letzten Jahr getroffenen
Vereinbarung trainieren israelische Piloten im türkischen Luftraum.
Und erst im vergangenen Frühjahr fand ein gemeinsames Seemanöver
der Marine im östlichen Mittelmeer statt.
Auch der Handelsaustausch floriert und soll - wie kürzlich beim
Staatsbesuch des türkischen Premiers Mesut Yilmaz in Jerusalem vereinbart
wurde - in den nächsten beiden Jahren noch verdoppelt werden.
Schon jetzt liegt er bei jährlich einer Milliarde US-Dollar. Nach
den Palästinensern sind die Türken für Israel der wichtigste
Wirtschaftspartner im gesamten Nahen Osten, wovon zum Gutteil die Rüstungsindustrie
profitiert. Der wahrscheinlich lukrativste Deal ist die israelische Aufrüstung
türkischer Kampfjets.
Israel und die Türkei betrachten sich gegenseitig als Stabilitätsfaktor
in der Region - zumindest hinsichtlich ihrer eigenen Interessen. Am guten
Einvernehmen mit einem moslemischen, aber zugleich säkularen und nicht-arabischen
Staat, ein Nato-Mitglied noch dazu, ist den Israelis nur gelegen. Zumal
die Türkei ein ähnlich weit entwickeltes Industrieland ist, das
darüberhinaus über in Nahost besonders kostbare Reserven verfügt,
nämlich Wasser. Genau das ist neben der Kurdenfrage das zentrale Element
im Konflikt zwischen Ankara und Damaskus.
Und so fühlt sich das isolationistisch agierende Syrien vom guten
Einvernehmen zweier seiner Grenznachbarn schlichtweg bedroht. Mit der Türkei
im Norden muß es sich eine 877 Kilometer lange Grenze teilen, sieht
sich aber zunehmend abhängig vom türkischen Dammbau am Fluß
Euphrat, der auch den Syrern das kostbare Wasser liefert. Als Druckmittel
gegen die Türken, die irgendwann die Zufuhr abdrehen könnten,
unterstützt Syrien die Kurdenpartei PKK. Im Süden wiederum hält
Israel nach wie vor die Golanhöhen besetzt. Seitdem die Friedensverhandlungen
über deren Rückgabe 1996 unterbrochen wurden, herrscht im israelisch-syrischen
Verhältnis erneut Eiszeit. Auch hier setzt Syrien auf indirekten Druck,
in dem es der islamistischen Hisbollah logistische Hilfe bietet, die in
Südlibanon einen Guerillakrieg gegen israelische Truppen führt.