ANKARA, 5. Oktober. Die Krise zwischen der Türkei und Syrien hat
sich am Montag bedrohlich zugespitzt. Der türkische Außenminister
Ismail Cem forderte den Nachbarn auf, die Unterstützung für die
Kurdische Arbeiterpartei PKK sofort einzustellen. Sein Land habe keine
Zeit, sich weiterhin mit „leeren Worten“ abspeisen zu lassen, sagte Cem.
Damaskus solle unverzüglich handeln und PKK-Chef Abdullah Öcalan
ausliefern. Staatspräsident Süleyman Demirel hatte zuvor
erklärt, seine Geduld sei am Ende: „Ich warne nicht nur Syrien, ich
warne die ganze Welt. Das kann so nicht weitergehen.“
Die Tageszeitung „Sabah“ veröffentlichte unterdessen Angriffspläne
des türkischen Generalstabs. Demnach sollen Kampfjets in einer ersten
Welle Luftwaffenstützpunkte und Raketenstellungen Syriens zerstören.
Danach sollen Öcalans Haus in Damaskus und Ausbildungslager der Rebellen
in der libanesischen Bekaa-Ebene bombardiert werden. In einer dritten Stufe
will man Kraftwerke angreifen. Laut „Sabah“ seien die Pläne fertig;
die Generäle wollten aber zunächst die weitere Entwicklung abwarten.
Alle Übergänge an der 877 Kilometer langen türkisch-syrischen
Grenze sind inzwischen geschlossen. Ankara hat zusätzliche Truppen
in das Gebiet verlegt. Kampfflugzeuge überfliegen die Grenzregion
in kurzen Abständen.
Der ägyptische Präsident Hosni Mubarak hat seinerseits vor
einer Kettenreaktion mit verheerenden Folgen für den gesamten Nahen
Osten gewarnt. „Mit Gewalt löst man keine Differenzen“, sagte Mubarak
der überregionalen arabischen Zeitung „Al-Hayat“. Ein Krieg wäre
der Beginn einer „Kette von Aktion und Reaktion, die nicht enden wird“.
Dies habe er Demirel wissen lassen, so Mubarak.
Mubarak als Vermittler
Der Ägypter will am Dienstag zu schlichtenden Gesprächen
nach Ankara reisen. Am Sonntag hatte er sich in Damaskus zusammen mit seinem
syrischen Amtskollegen Hafez al-Assad für eine diplomatische Lösung
der Krise ausgesprochen. Mubarak ist einer der wenigen, die für die
schwierige Vermittlermission in Frage kommen. Er gilt als Freund Assads,
pflegt aber gleichzeitig gute Kontakte zur Türkei.
Die meisten arabischen Staaten sowie Iran haben sich auf die Seite
Syriens gestellt. Sie werfen Ankara vor, in Damaskus nur den Buhmann für
das ungelöste Kurdenproblem zu suchen. Vor allem aber nehmen sie es
der Türkei übel, daß sie seit zwei Jahren militärisch
mit Israel zusammenarbeitet – aus ihrer Sicht eine „strategische Allianz“
mit dem Ziel, die Kräftebalance in der Region zu kippen.