Erfolgt nach Serbien eine Militärintervention in der Türkei?
Alles eine Frage des (Nato-)Interesses
Das Feuer ist entfacht, UN-Mandat hin, UN-Mandat her. Die Vorbereitungen
für einen Militärschlag der Nato gegen Serbien sind auch ohne
Auftrag der Vereinten Nationen längst getroffen. In den Chor derjenigen,
die für Luftangriffe plädieren, stimmen nicht nur Militärstrategen
und Machtpolitiker ein, sondern auch jene, die es mit den Menschenrechten
- Verhinderung von weiteren Massakern und Schutz der auf der Flucht befindlichen
Kosovo-Albaner - ernst meinen. Die Frage nach den unterschiedlichen Motiven
der Akteure, die heute lautstark auf Belgrad einschlagen, wird allerdings
kaum noch gestellt.
Menschenrechtsverletzungen gibt es weltweit zuhauf. Zum Beispiel in
dem Nato-Mitgliedsland Türkei. Aber niemand forderte bislang Luftangriffe
auf Ankara, obgleich in den kurdischen Regionen Zehntausende Menschen ums
Leben kamen. Es gab Massaker, Zivilisten wurden aus ihrer Heimat vertrieben,
Dörfer und Felder in Brand gesteckt.
Und wer redet über die Massaker des menschenverachtenden Regimes
der Taliban in Afghanistan, die mit kräftiger Unterstützung der
USA sich in Aggression gegen den Nachbarn Iran üben? Ein Blick auf
die Weltkarte genügt, um die moralische Verlogenheit der Akteure,
die heute militärisch auf dem Balkan intervenieren wollen, bloßzustellen.
Es ist ein Spiel mit dem Feuer, in Regionen einzugreifen, in denen ein
ethnisch bestimmter Konflikt zwischen souveränen Staaten und einer
bewaffneten Autonomiebewegung stattfindet. Das gewaltsame Eingreifen von
außen verstärkt die Hegemonie nationalistischer, chauvinistischer
Ideologie in den Ländern, die ihren Staat gegen „separatistische Elemente“
verteidigen. Mit dem Verweis auf die bewaffnete Kosovo-Befreiungsarmee
UCK läßt sich in Belgrad einiges bewegen. Und die Lage der Zivilisten
im Kosovo würde sich durch „begrenzte“ Luftangriffe der Nato eher
verschlechtern als verbessern.
Solange es kein militärisches Instrumentarium einer demokratisch
legitimierten Weltgemeinschaft gibt - die UN ist schließlich auch
nur ein Sammelsurium mehr, oder vielmehr: weniger, demokratischer Staaten
-, führen Militärschläge gegen souveräne Staaten zu
einer Verschärfung des Regionalkonfliktes. Nicht die trostlose Lage
im Kosovo ist der Grund für die Debatte um Luftangriffe, sondern Machtkalküle
von Politikern, die nach dem Ende des Kalten Krieges der Nato einen Selbstzweck
einhauchen wollen - ungeachtet der Frage nach dem Sinn.
Ömer Erzeren