Daß sie von türkischen Polizisten vergewaltigt worden ist,
weiß ihr Mann bis heute nicht. Auch als sie in Deutschland Asyl beantragte,
schaffte Canan C. (Name geändert) es nicht, von ihren Erlebnissen
zu berichten - weder vor dem Bundesamt für die Anerkennung ausländischer
Flüchtlinge, noch später vor dem Verwaltungsgericht. Denn
dort saß ihr ein männlicher, muslimischer Dolmetscher gegenüber.
Jetzt soll Canan C. abgeschoben werden.
Daß es vielen Frauen infolge ihrer Traumatisierung schwer fällt,
über ihr Schicksal zu reden, hat Anne Harms von der kirchlichen Beratungsstelle
„Fluchtpunkt“ oft erfahren müssen. „Aber wozu sollen wir einer Frau
wie Canan C. helfen, darüber zu sprechen“, fragt sie. „Das Gericht
setzt sich doch über alle Kenntnisse hinweg, die es über Traumatisierungsfolgen
gibt.“
Zwar hat Canan C. ihr Schweigen mittlerweile gebrochen. Doch dafür
sei es jetzt zu spät, befand das Verwaltungsgericht: Der Vortrag der
Kurdin sei „durch erhebliche Steigerungen gekennzeichnet“, habe sie doch
im ersten Asylverfahren gegenüber dem Bundesamt „allein von angeblich
erlittenen Folterungen in Form von Schlägen, Beschimpfungen und Haareziehen“
berichtet. Später habe sie dann von der Vergewaltigung ihres
damals neunjährigen Sohnes erzählt und erst in der letzten Gerichtsverhandlung
von ihrer eigenen. Diese „Steigerung“ mache die Frau unglaubwürdig.
Fluchtpunkt setzt sich zusammen mit „amnesty international“ und „pro
Asyl“ unter anderem für frauengerechtere Asylverfahren ein.
Schließlich sei es eine weitere Hemmschwelle für Canan C.
gewesen, ihre Erlebnisse einem männlichen Dolmetscher zu berichten.
Auch dies erkannte der Richter im vorliegenden Verfahren nicht an. Er sah
keinen Grund für die Kurdin, nicht sofort über ihre Vergewaltigung
gesprochen zu haben. Deshalb fordert Fluchtpunkt, daß Flüchtlingsfrauen
gleich beim Bundesamt eine Sachbearbeiterin und eine Dolmetscherin angeboten
werden und in die Genfer Konvention auch die „Verfolgung aufgrund des Geschlechts“
aufgenommen wird.
Eva Wolfangel