Gericht sieht Kurden der Beteiligung an den Ausschreitungen zum Kurdischen Newroz-Festes überführt
GIESSEN. Auch gestern wieder beschäftigten die Vorfälle des
20. März 1996 das Gießener Amtsgericht. An diesem Abend war
es anläßlich des kurdischen Neujahrsfestes auf dem Kirchenplatz
zu schweren Auseinandersetzungen zwischen demonstrierenden Kurden und der
Polizei gekommen. Die hatte versucht, die verbotene Demonstration aufzulösen.
Das Schöffengericht sprach einen 30jährigen Kurden des schweren
Landfriedensbruchs, des Widerstandes gegen Vollstreckungsbeamte und der
versuchten gefährlichen Körperverletzung schuldig. Ihm wurde
eine einjährige Bewährungsstrafe auferlegt. Zudem muß der
Angeklagte 100 gemeinnützige Arbeitsstunden innerhalb von vier Monaten
leisten.
Das Gericht zeigte sich überzeugt, daß der 30jährige
mit einem über einen Meter langen Ast zwei mal auf einen Polizeibeamten
eingeschlagen hatte. Nur aufgrund der schweren Schutzkleidung blieb der
Beamte unverletzt. Dabei folgte das Gericht den Angaben dreier Polizisten,
die den Angeklagten zweifelsfrei identifiziert hatten. Der hatte bis zuletzt
bestritten, einen Polizeibeamten geschlagen zu haben. Er habe vielmehr
versucht zu vermitteln und Frauen und Kinder zu schützen. Noch
in seinem Schlußwort beschuldigte er die Polizei: „Es hat sich herausgestellt,
daß die Polizisten gelogen haben.“
Die Staatsanwaltschaft hingegen führte aus, das Verhalten der
Demonstranten habe ein Einschreiten der Polizei unumgänglich gemacht.
Das Schwenken von Fahnen der kurdischen Arbeiterpartei (PKK) und das
Rufen von Parolen habe der Polizei gar keine andere Wahl gelassen, da die
PKK in Deutschland mit einem Betätigungsverbot belegt sei. Zudem seien
die Beamten massiver Gewalt ausgesetzt gewesen. Die Demonstranten hätten
die Polizei mit Stöcken und Fackeln angegriffen. Hier in Deutschland
habe jeder das Recht sein politische Meinung kund zu tun. „Man kann aber
nicht Knüppel von Bäumen reißen und dann auf die Polzei
einschlagen“, verurteilte der Staatsanwalt das Verhalten des Angeklagten.
„Sie haben Ihr Gastrecht massivst mißbraucht“, wurde der Vertreter
der Anklage noch deutlicher.
Das Gericht folgte mit seinem Urteil dem Antrag der Staatsanwaltschaft.
Dabei stellte der Vorsitzende klar, daß man sich bei der Strafzumessung
von den Gesichtspunkten habe leiten lassen, die schon die Staatsanwaltschaft
in ihrem Plädoyer hervorgehoben habe. Die Demonstranten, darunter
auch der Angeklagte, hätten sich bewaffnet und seien auf die Polizei
losgegangen. Die Einlassung des 30jährigen sei durch die Verhandlung
eindeutig widerlegt worden. Die Zeugen hätten den Angeklagten zweifelsfrei
identifiziert, führte der Richter aus. Die Bewährungszeit wurde
auf drei Jahre festgesetzt.