Neue türkische Anschuldigungen gegen Syrien Wiederaufnahme der Sicherheitsgespräche?
vk. Limassol, 19. Oktober
Die türkische Führung hat am Montag zur Untermalung eines
ersten geplanten Treffens zwischen Sicherheitskommandanten aus Ankara und
Damaskus erneut Syrien in scharfer Form vorgeworfen, es unterstütze
mit militärischen Mitteln Öcalans bewaffnete separatistische
Arbeiterpartei Kurdistans. Präsident Demirel wählte als Ort seines
Auftritts ausgerechnet den auch von Syrien beanspruchten Landstrich Sandschak
(Hatay/ Alexandrette), um Damaskus in eher hochfahrenden Worten «eine
letzte Chance zur friedlichen Verständigung» einzuräumen.
Er sagte, er habe Grund zur Annahme, dass sich der PKK-Chef entgegen allen
offiziellen Beteuerungen Syriens weiterhin im Nachbarland aufhalte. Ankaras
Verteidigungsminister Sezgin hatte am gleichen Morgen erklärt, nach
den Erkenntnissen seiner Streitkräfte entsende Syrien insgeheim sogar
Offiziere zur Verstärkung der PKK-Miliz. Die Armee habe neuerdings
nach Kämpfen mit PKK-Kommandos auch syrische Soldaten unter den Toten
gefunden. Das gilt als die bisher präziseste Beschuldigung des Nachbarn
in einer bald 14jährigen Serie von türkischen Anklagen. Damaskus
bestreitet all das konsequent und erklärt sich zu bilateralen Gesprächen
bereit, wie sie in der Vergangenheit routinemässig in einem besonderen
Sicherheitsausschuss stattfanden.
Arabische Unterstützung Die angespannten Nachbarbeziehungen
erhielten Anfang Oktober schlagartig einen militärischen Unterton,
als Demirel und seine Regierung ausdrücklich mit Gewaltanwendung gegen
Syrien drohten, wenn Damaskus seine Hilfe für die PKK nicht aufgebe.
Ankara verstärkte seine Truppen entlang der syrischen Grenze und kündigte
auf Anfang November Grossmanöver an. Doch Mitte Oktober erreichte
die Vermittlung des iranischen und vor allem des ägyptischen Aussenministers
eine Rückkehr an den Verhandlungstisch. Ankaras Generalstabschef räumte
plötzlich ein, die PKK- Ausbildungslager im syrischen Machtbereich
seien geschlossen und Öcalan sei abgereist.
Diese Stellungnahme war die Reaktion auf eine intensive Werbeaktion
Syriens bei verschiedenen arabischen Regierungen, um Ankara seine diplomatische
Isolation in der Region deutlich zu machen. In den Augen der Syrer steht
Israel hinter der militärischen Drohung des Nachbarn. Damaskus wähnt
eine angebliche israelische Expansionsstrategie und einen wachsenden Einfluss
dank dem militärischen Kooperationsabkommen mit Ankara. Die Syrer
halten deshalb den Türken vor, sie förderten nicht die eigenen
Interessen, sondern
diejenigen des jüdischen Staats. Wortmeldung Öcalans aus
«Kurdistan» Syrien legte via Ägypten einen neuen Plan
für bilaterale Sicherheitskooperation vor, welchen Ankara annahm.
Als erster Schritt wurde für Montag ein geheimnisumwittertes Treffen
syrischer und türkischer Fachleute der Sicherheitskräfte, der
Armee und des Aussenministeriums angesetzt. Falls dieses befriedigende
Resultate erbringt, sollen die beiden Aussenminister Cem und Charea in
Kairo zusammenkommen.
Doch Ankara stellte dieses Unternehmen in seinen öffentlichen
Kommentaren als ein Verfahren zur Prüfung des Wohlverhaltens der Syrer
dar, wobei der Angeklagte immer wieder zum handfesten Beweis seiner Unschuld
aufgefordert wurde. Damaskus machte gute Miene zum bösen Spiel; Verteidigungsminister
Tlass beteuerte weiterhin den Wunsch nach einer diplomatischen Lösung.
Doch zugleich betonte Informationsminister Salman, Syriens historischer
Anspruch auf Alexandrette sei eine nationale Sache und könne nicht
einfach aufgegeben werden, wie Ankara das fordert. Der PKK-Chef Öcalan
meldete sich indessen selbst zu Wort mit der Erklärung, er befinde
sich nicht in Syrien, sondern «in Kurdistan». Er habe sich
lediglich zum Besuch des kurdischen Bevölkerungsteils mehrfach in
Syrien aufgehalten, was allerdings mit der Regierung gar nichts zu tun
habe. Das ist recht offensichtlich eine für Asads Bedürfnisse
zurechtgemachte Darstellung, zumal Öcalan während Jahren seine
Presseauftritte mit einem syrischen Fahrzeug und im syrisch kontrollierten
Grenzgebiet Libanons veranstaltete.