Türkei - Syrien: Friede mit Fragezeichen
Ankara gibt Entwarnung im Konflikt mit dem Nachbarn; Damaskus aber schweigt
beharrlich.
Von unserem Korrespondenten
MARTIN PETER
ISTANBUL. Eine internationale Krise, die aus heiterem Himmel entstanden
war, soll ebenso plötzlich wieder vom Tisch sein. Doch weder
für den Beginn noch für das Ende der türkisch-syrischen
Auseinandersetzungen gibt es einleuchtende Erklärungen.
Seit langem streiten die beiden Nachbarn über die Grenzziehung
im ehemaligen Mesopotamien. Seit Beginn des Staudammbaus in Südostanatolien
liegen sich beide Staaten wegen der Aufteilung des Euphrat-Wassers in den
Haaren. Und seit die türkische Kurdenguerilla PKK auf syrischem Boden
Unterschlupf findet, sind sich Ankara und Damaskus erst recht spinnefeind.
Der jüngste Konflikt dauert schon 14 Jahre. Anfang Oktober
plötzlich drohten türkische Spitzenpolitiker und die Armee ohne
offensichtlichen Grund dem südlichen Nachbarn mit Krieg, falls er
nicht „innerhalb von Tagen“ mit der PKK aufräume.
Präsidenten und Außenminister aus Ägypten und dem Iran
versuchten den drohenden Waffengang zu verhindern - offenbar mit Erfolg,
wie am Dienstag aus einem gemeinsamen türkisch-syrischen Abkommen
hervorgeht. Darin verpflichtet sich Damaskus, alle türkischen Begehren
„bedingungslos zu erfüllen“, die PKK-Lager zu schließen und
PKK-Chef Abdullah Öcalan aus Syrien zu verbannen.
In einem zweitägigen Geheimtreffen mit türkischen Kollegen
gestanden syrische Sicherheitsbeamte Ankara gar „Kontrollgänge“ zu,
um die Einhaltung der Abmachungen zu kontrollieren. Außerdem versicherte
Damaskus, Öcalan habe Syrien bereits verlassen. Der türkische
Regierungschef Mesut Yilmaz gab daraufhin bekannt, Öcalan halte sich
in Moskau auf.
Wie glaubwürdig die
Nachbarschaftsversprechen sind, wird sich weisen. Zweifel sind jedenfalls
angebracht. Denn erstens melden Beobachter aus Südostanatolien
neue türkische Truppenverstärkungen. Zweitens dementierte das
russische Außenamt, daß sich Öcalan in Moskau aufhalte.
Drittens stammen die Friedensmeldungen ausschließlich aus türkischen
Quellen. Und viertens benötigt die türkische Regierung, die knietief
im Mafiasumpf steckt, dringend außenpolitische Erfolgsmeldungen.