Entspannung im türkisch-syrischen Konflikt
Damaskus verspricht ein Ende der Unterstützung für die PKK
Nach wochenlangen Spannungen haben die Türkei und Syrien das Ende
der jüngsten Krise verkündet. Laut offiziellen türkischen
Angaben hat sich Damaskus vertraglich dazu verpflichtet, seine Unterstützung
für die türkische Kurdenguerilla der PKK einzustellen.
it. Istanbul, 21. Oktober
Nach zweitägigen von Geheimnissen umwitterten Gesprächen in
der südtürkischen Stadt Seyhan haben sich, wie kurz gemeldet,
syrische und türkische Sicherheitsexperten auf eine Formel zur Entspannung
im jüngsten Konflikt geeinigt. Er sei optimistisch, erklärte
nach Abschluss der Gespräche am späten Dienstagabend der türkische
Aussenminister Cem. Laut seinen Ausführungen hat sich Damaskus schriftlich
dazu verpflichtet, die Lager der Kurdischen Arbeiterpartei (PKK) in Syrien
und dem syrisch kontrollierten Teil der Bekaa-Ebene in Libanon zu schliessen.
Ferner wird Syrien die PKK zur terroristischen Organisation erklären
und ihrem Vorsitzenden, Öcalan, die Einreise künftig verwehren.
Optimismus trug auch der türkische Verteidigungsminister Sezgin zur
Schau. Gleichzeitig forderte er aber Damaskus eindringlich dazu auf, diesmal
die Zusagen einzuhalten. Die Nachbarländer haben sich weiter dazu
bereit erklärt, transparente Mechanismen zur Kontrolle des Abkommens
zuzulassen. Die Resultate des Treffens in Seyhan, vom türkischen Staatsoberhaupt
Demirel als letzte Chance zur friedlichen Beilegung des Konflikts bezeichnet,
haben in Ankara Euphorie ausgelöst. Die Entschlossenheit der Türkei
habe Syrien in die Knie gezwungen, lautet das Fazit der Presse.
Euphorie in Ankara
Der jüngste von niemandem erwartete Konflikt brach Anfang Oktober
aus. Die türkische Staatsführung beschuldigte Syrien einer feindlichen
Haltung und forderte von Damaskus ultimativ, die Unterstützung für
die PKK einzustellen. Ankaras Drohgebärde sowie die Verlegung türkischer
Truppen entlang der syrischen Grenze alarmierte die Politiker in der Region.
Der Nahe Osten könne keinen weiteren Konflikt ertragen, meldete sich
aus Kairo der ägyptische Aussenminister. Ägypten und Iran boten
sich als Vermittler an. Das Treffen von Seyhan ist offensichtlich das Resultat
dieser Vermittlung.
Wie genau es zur jüngsten Eskalation kam und warum ausgerechnet
vor drei Wochen das volle Glas überlief, wie der türkische Regierungschef
Yilmaz sich ausdrückte, bleibt weiterhin unklar. Die Regierung habe
der türkischen Öffentlichkeit nicht glaubhaft machen können,
was Ankara zu den massiven Drohungen gegen Syrien bewegt habe, erklärte
beim Ausbruch der Krise der sozialdemokratische
Oppositionspolitiker Baykal. Auch die türkischen Islamisten reagierten
mit Verwunderung. Die syrische Unterstützung für die PKK sei
schliesslich seit langem bekannt.
Dass einflussreiche Kreise des syrischen Staatsapparats sowie syrische
Kurden die PKK unterstützen, ist in der türkischen Öffentlichkeit
bekannt. Spätestens seit Mitte der achtziger Jahre spürten die
türkischen Geheimdienste immer wieder den jeweiligen Wohnsitz des
PKK-Chefs in Syrien auf und liessen Damaskus wissen, dass sie Öcalans
Adresse und Telefonnummer bestens kennten. Mit ebensolcher Regelmässigkeit
versprach Damaskus, seine Unterstützung für die PKK einzustellen.
In den letzten Jahren jedoch wiesen syrische Sicherheitsbeamte sämtliche
diesbezüglichen Anschuldigungen empört zurück und behaupteten,
dass weder Öcalan noch PKK-Leute sich auf syrischem Territorium befänden.
Ende eines Katz-und-Maus-Spiels
Damaskus spiele mit Ankara ein Katz-und- Maus-Spiel, beschrieb neulich
ein Kommentator das vorherrschende Gefühl in der Türkei.
Immerhin hat der Krieg zwischen der kurdischen Guerilla und den türkischen
Streitkräften in den letzten 14 Jahren weit über 30 000 Todesopfer
gefordert. Mehr als zwei Millionen Personen wurden zur Flucht gezwungen,
und der kurdische Südosten der Türkei ist heute ein Land der
verbrannten Erde. Im Laufe der letzten drei Wochen haben die im Parlament
vertretenen türkischen Parteien sich vorbehaltlos hinter die Regierung
gestellt. Gegen einen möglichen Krieg sprach sich lediglich die kleine
prokurdische Hadep-Partei aus. Während einer Antikriegsdemonstration
in Istanbul wurden am vergangenen Wochenende über 500 ihrer Mitglieder
festgenommen.