Marsch für die türkische Republik
Wer die Festfreude zum 75er stört, den trifft die Härte des Staatsapparats
STANDARD-Korrespondentin Astrid Frefel aus Istanbul
Die Türkei feiert. Am Donnerstag sind es 75 Jahre, seit Staatsgründer
Mustafa Kemal Atatürk die Republik ausgerufen und aus den Trümmern
des Osmanischen Reiches die moderne Türkei geformt hat. Die Veranstaltungen
aus Anlaß dieses Ereignisses füllen einen Festführer von
425 Seiten. Am Donnerstag werden dann auch Staatsgäste aus fast 100
Ländern an einem offiziellen Festakt teilnehmen.
Eine Werbeagentur hat die Slogans erdacht, die die Errungenschaften
der Republik preisen. Da wird der Modernisierungsschwung als jung und dynamisch
wie im ersten Jahr und so mächtig und tief verwurzelt wie nach 1000
Jahren dargestellt. Die Verkündung dieser Frohbotschaft macht nicht
halt an den Landesgrenzen. Über den Nachrichtenkanal CNN wird weltweit
ein Reklamefilm mit dem Titel „Der Tanz, der nicht endet“ ausgestrahlt.
Millionen Türken und Türkinnen sind am Wochenende auf die
Straßen gegangen. Der „Marsch für die Republik“ wurde in 80
Städten und 700 Dörfern gleichzeitig durchgeführt. Diese
Massenveranstaltungen sollen Geschlossenheit demonstrieren, aber auch die
Feiern können die Gräben in der türkischen Gesellschaft
nicht verdecken. „Wir haben nichts zu feiern“, meint ein Kurde, der als
Journalist und Schriftsteller in Istanbul lebt.
Auch die Säkularismus-Debatte hinterläßt ihre Spuren.
Wie viele Organisatoren hat auch die proislamistische Fazilet-Partei eigene
Plakate gedruckt.
Sie zeigen Atatürk mit seiner Mutter und eine junge Frau vom Land
mit Kind, beide verschleiert. Ihre Botschaft lautet: „Die Republik wurde
in den Händen der Mütter geboren, in ihren Händen wächst
sie.“ Andere Titel enthalten religiöse Symbole. Dies in scharfem Kontrast
zu der staatlichen Kampagne, wo moderne, westlich gekleidete Städter
den Ton angaben.
Wer die Festfreude in diesen Tagen stört, bekommt die ganze Härte
des Staatsapparates zu spüren. Das haben auch die „Samstagsmütter“
erfahren müssen, als sie sich zum 180. Mal zu ihrem stummen Protest
gegen das Verschwinden ihrer Söhne und Verwandten vor dem Galatasaray-Lisesi
in Istanbul treffen wollten. Viele hundert Polizisten und Polizistinnen
in Kampfmontur haben ihre Zusammenkunft verhindert und mehrere Verhaftungen
vorgenommen.
Zu schweren Auseinandersetzungen mit der Polizei kam es am Wochenende
auch bei einer Demonstration der prokurdischen Hadep-Partei gegen die offizielle
Kurdenpolitik. Mehrere hundert Personen wurden in Polizeigewahrsam genommen.