Abdullah Öcalan weiterhin in Haft
Europaweit Demos gegen Auslieferung. Auch BRD-Delegation will nach
Rom
Nach wie vor ist ungeklärt, was mit Abdullah Öcalan geschehen
wird. Der kurdische Fernsehsender MFD-TV hatte am Sonnabend vermeldet,
daß der Führer der PKK in Italien politisches Asyl beantragt
hat. Die Entscheidung der italienischen Behörden über diesen
Antrag wird für Dienstag erwartet, teilte die »Kurdistan Solidarität
Hamburg« am Sonntag mit. Yek-Kom, die Förderation türkischer
Vereine in Deutschland, erklärte darüber hinaus, daß die
italienischen Behörden im voraus von der Einreise Öcalans informiert
gewesen wären. Dies wurde in Rom umgehend dementiert.
Inzwischen gibt es in ganz Europa Initiativen, um die Auslieferung
Öcalans an die Türkei zu verhindern. 109 Abgeordnete des griechischen
Parlaments, das ist ein Drittel, unterschrieben eine Erklärung, in
der für Öcalan politisches Asyl in Griechenland gefordert wird.
Eine Gruppe von prominenten Wissenschaftlern, Politikern und Künstlern
aus fast allen europäischen Ländern ist auf dem Weg nach Rom.
Proteste von kurdischen Gruppen gab es u. a. in Den Haag, Strasbourg,
Brüssel, Bern und Bonn. Auch die italienischen Grünen und die
Kommunisten riefen die Regierung auf, Öcalan Asyl zu gewähren.
Die rechtsgerichtete Oppositionspartei Forza Italia erinnerte den neuen
Regierungschef dagegen an Verpflichtungen, die Italien gegenüber seinem
NATO-Partner Türkei habe.
In der Bundesrepublik ist die Entscheidung über ein mögliches
Auslieferungsgesuch an die italienische Regierung offenbar noch nicht gefallen.
Der SPD-Innenpolitiker Willfried Penner hält diese Variante jedoch
für wahrscheinlich. »Ich würde sagen, es spitzt sich zunächst
alles darauf zu, daß die Italiener wahrscheinlich vorrangig interessiert
sind, Öcalan an Deutschland auszuliefern«, sagte der Vorsitzende
des Bundestags-Innenausschusses am Sonnabend dem Saarländischen Rundfunk.
Den Italienern sei daran gelegen, den PKK-Chef »sobald wie möglich
loszuwerden«. Seine Auslieferung von Italien nach Deutschland sei
wegen des Schengener Abkommens rechtlich unproblematisch. Von deutscher
Seite liegt ein internationaler Haftbefehl wegen Mordes und anderer Straftaten
gegen Öcalan vor.
Unterdessen hat der »Appell von Hannover e. V.« - ein Zusammenschluß
von um eine friedliche Lösung des Kurdistan-Konfliktes bemühten
Gruppen und Einzelpersonen - einen Aufruf für die Bildung einer deutschen
Delegation nach Rom veröffentlicht. Zu den Unterzeichnern des Appells
gehören unter anderem der Rektor der Bremer Universität, Professor
Ronald Mönch, und die Bundestagsabgeordneten Gregor Gysi, Eva Bulling-Schröter,
Ulla Jelpke (alle PDS) und Angelika Beer (Grüne). Es soll auch zur
Beteiligung an einer europäischen Faxkette mobilisiert werden. Italienische
Institutionen sollen massiv mit der Forderung nach politischem Asyl für
Abdullah Öcalan eingedeckt werden. Bei Redaktionsschluß lagen
außer von Prof. Mönch und dem Sprecher von medico international,
Hans Branscheidt, noch keine Zusagen für die Teilnahme an der Reise
nach Rom vor.
Rainer Balcerowiak
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