Eine sichere Bleibe für Öcalan
Gewährt Italien dem PKK-Chef Asyl? Türkei beharrt auf Auslieferung
ANDREAS ENGLISCH
Rom - Die Entscheidung scheint bereits gefallen:
PKK-Chef Abdullah Öcalan wird nach Informationen des Hamburger
Abendblatts in Italien Asyl gewährt. Während der türkische
Außenminister Ismail Cem in Rom verzweifelt bei Regierungsmitgliedern
um Verständnis warb, signalisierte Walter Veltroni, der Chef der mächtigsten
Regierungspartei DS, schon gestern Vormittag, daß die Würfel
gefallen seien. „Ich bin der Ansicht, daß im Fall Öcalan alle
Voraussetzungen erfüllt sind, um Asyl zu gewähren“, sagte Veltroni.
Auch der für den Fall zuständige kommunistische Justizminister
Oliviero Diliberto ließ nie einen Zweifel daran, daß er ein
PKK-Unterstützer ist.
In Rom geht man davon aus, daß Öcalan sich in Italien stellte,
nachdem ihm das Asylrecht unter der Hand von Regierungsmitgliedern zugesichert
worden war, auch wenn dies offiziell bestritten wird. Die Beziehungen zwischen
Italien und der Türkei könnten sich ohnehin kaum noch verschlechtern.
Das italienische Parlament hatte vor einem halben Jahr im Abgeordnetenhaus
eine Tagung der kurdischen Exil-Regierung zu Gast gehabt. Die Türkei
drohte daraufhin mit dem Abbruch der diplomatischen Beziehungen.
Die Regierungsumbildung und die Aufnahme der kurdenfreundlichen Kommunisten
in den Regierungsblock, scheinen Öcalan auf die Idee gebracht zu haben,
nach Italien zu gehen. Eine Ablehnung des Asyl-Rechts scheint so gut wie
unmöglich, da der Justizminister bereits erklärt hat: „Das kurdische
Volk und die PKK werden in ihrem Befreiungskampf nicht allein gelassen.“
Eine sehr lange Eiszeit zwischen Italien und der Türkei steht bevor.
Der türkische Vize-Ministerpräsident Bülent Ecevit hatte
zuvor erklärt, sollten Staaten der Versuchung erliegen, Öcalan
aufzunehmen, würden „sie sich die Geißel des Terrorismus“ ins
Land holen. Nach einem Bericht der Zeitung „Milliyet“ erwägt die türkische
Regierung sogar die Abschaffung der Todesstrafe, um Öcalans Auslieferung
zu erleichtern. Der PKK-Chef war vergangene Woche in Rom festgenommen worden.
Der „Focus“ berichtete, die Bundesregierung werde keine Auslieferung
Öcalans beantragen, obwohl in Deutschland ein Haftbefehl gegen ihn
vorliegt. Nach Informationen des Magazins sind auch Bonner Kreise davon
überzeugt, daß Italien dem PKK-Führer Asyl gewähren
wird. Das Bundesinnenministerium wollte dazu keine Stellung nehmen. Der
SPD-Politiker Penner sagte dagegen, mit dem Schengener Abkommen seien zwischen
Italien und Deutschland „Fragen der Auslieferung relativ einfach geworden“.
Unterdessen belagern mehr als 15 000 Kurden, die fast ausnahmslos aus
Deutschland kommen, das Militärkrankenhaus Celio in Rom, in dem Öcalan
wegen Herzbeschwerden behandelt wird. Etwa 30 Kurden begannen einen
Hungerstreik in Rom, um ihre Solidarität mit Öcalan zu bekunden.
In Istanbul nahmen Gefangene einen italienischen Inhaftierten als Geisel,
um die Freilassung Öcalans zu erpressen. Auch in vielen deutschen
Städten demonstrierten Kurden für die Freilassung Öcalans.
(SAD)