junge Welt                       Ausland                      05.12.1998
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    Schwenk im »Fall Öcalan«?
    Italien immer noch über Umgang mit PKK-Chef zerstritten
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    Am Mittwoch fand in der italienischen Abgeordnetenkammer die
    Parlamentsaussprache über den »Fall« des in Italien festgehaltenen
    PKK-Chefs Öcalan statt. Die Regierung hat dabei keine besonders
    glückliche Haltung abgegeben und die Widersprüche innerhalb der
    Koalition recht deutlich zutage treten lassen. Ministerpräsident
    Massimo D'Alema hat nochmals klar zu verstehen gegeben, daß auf ein
    türkisches Auslieferungsersuchen eine negative Antwort folgen
    werde.

    D'Alema wandte sich auch gegen die deutsche Regierung, die in
    dieser Frage »kein Modell von Kohärenz« sei. Der italienische
    Regierungschef hob auf die Idee eines internationalen Gerichts ab,
    das auf Initiative der Europäischen Union gegründet werden und
    Öcalan den Prozeß machen solle. Und dies heiße nicht, daß man sich
    in die inneren Angelegenheiten der Türkei einmische: »Die Türkei
    hat den Beitritt zur EU beantragt, und die EU ist gehalten, die
    Kriterien für den Beitritt zu prüfen, die den Respekt der
    Minderheiten umfassen.« In den vergangenen Tagen hatte D'Alema den
    PKK-Chef einem Radio gegenüber als »Terroristen« bezeichnet, ein
    Zeichen dafür, daß die zu Beginn positive Stimmung für Öcalan
    umzuschlagen scheint. Für politisches Asyl sprechen sich nur noch
    die Grünen, die Italienischen Kommunisten (PdCI) sowie Rifondazione
    Comunista (PRC) aus - wenn man von der Lega Nord absieht.

    Angesichts der langen Fristen für einen internationalen Gerichtshof
    für Öcalan wird ein Prozeß in Italien immer wahrscheinlicher. Das
    wäre auch im Sinne der türkischen Seite, die auf gar keinen Fall
    eine Internationalisierung der Kurdenfrage wünscht. Ob sich mit dem
    Wechsel an der Regierungsspitze in Ankara etwas Grundlegendes
    ändert, darf mit gutem Grund angezweifelt werden. Der designierte
    neue Premier Bülent Ecevit (73), der zum vierten Mal eine Regierung
    zusammenstellen muß, gilt zwar offiziell als Politiker mit einer
    linken Vergangenheit, hat davon jedoch so einiges an den Nagel
    gehängt. Auch er vertritt einen exzessiven türkischen
    Nationalismus, in dem für Forderungen von Minderheiten kein Platz
    ist. Er war es auch, der 1973 den Einmarsch auf Zypern anordnete.

    PRC-Sekretär Fausto Bertinotti war am Dienstag mit Öcalan
    zusammengetroffen. Bertinotti hat dabei eine Pressekonferenz
    angeregt, die allen italienischen und ausländischen Journalisten
    offenstehen soll, um allen die Argumentation Öcalans nahezubringen.
    Der PRC-Chef ist vom taktischen Schwenk der PKK überzeugt: »Nachdem
    ich ihm lange zugehört habe, habe ich den Eindruck, daß Öcalan nach
    Italien kommen wollte, weil er tatsächlich einen Plan hat, einen
    Friedensplan«« so Bertinotti gegenüber der Tageszeitung »Il
    Manifesto.

    Cyrus Salimi-Asl, Neapel