F: Nachdem die PKK-Sprecher jetzt alle Kurden zur
Rückkehr in die
Länder aufgefordert hat, in denen sie leben
- fahren Sie jetzt
wieder zurück nach Deutschland?
Nein, ich bleibe in Italien und setze den Hungerstreik fort.
F: Was denken Sie über die Haltung der italienischen
Regierung im
»Fall Öcalan«?
Wir sind damit zufrieden und haben volles Vertrauen
in die
italienische Regierung.
F: Haben Sie erwartet, daß Abdullah Öcalan
sich so schnell wieder
auf freiem Fuß befinden würde? Er muß
sich zwar in Rom aufhalten,
sitzt aber nicht im Gefängnis.
Noch vor einiger Zeit konnte man damit nicht rechnen,
aber seitdem
er hier ist, gab es gute Gründe zu hoffen,
daß es so ausgehen
würde.
F: Meinen Sie, daß er politisches Asyl in Italien erhält?
Auf jeden Fall. Wir rechnen damit, daß die
Italiener ihm Asyl
gewähren. Wenn das nicht der Fall sein sollte,
dann werden wir ihn
nicht allein lassen.
F: Befürchten Sie nicht, daß Deutschland
die Auslieferung verlangen
könnte und Italien dann schwerlich nein sagen
kann?
Das hoffen wir natürlich nicht. Mein eigener
Sohn war sechseinhalb
Jahre in Deutschland inhaftiert, und in vielen Fällen
ist kein
Unterschied auszumachen zwischen dem Verhalten der
Deutschen und
der Türken. In diesem Fall glauben wir, daß
Deutschland keinen
Auslieferungsantrag stellen wird.
F: Warum war Ihr Sohn sechseinhalb Jahre in Haft?
Er wurde in einem PKK-Prozeß verurteilt.
F: Gibt die PKK jetzt den bewaffneten Kampf auf und
sucht die
politische Lösung?
Die PKK hat schon dreimal einseitig den Waffenstillstand
erklärt.
Seit dem letzten Mal sind 100 unserer Genossen gefallen.
Wenn der
Westen mehr Druck auf die Türkei ausüben
würde, damit sie diesem
Waffenstillstand ähnliche Taten folgen läßt,
würde die PKK die
Waffen ganz niederlegen. Aber ich will unterstreichen,
daß wir
sowohl zu einer politischen Lösung als auch
zum Kampf bereit sind.
F: Beunruhigt Sie die angespannte Stimmung in der
Türkei zwischen
Kurden und Türken?
Die Kurden sind friedlich. Der türkische Staat
aber läßt die
Parteibüros der kurdischen HADEP überfallen.
Hunderte Menschen
wurden verhaftet, die Büros geplündert
und alles kurz und klein
geschlagen. Die Türkei stützt sich vor
allem auf drei Länder:
Deutschland, Israel und die USA.
Deutschland hat die Waffen und Panzer geliefert,
mit denen die
Menschen zu Tode geschleift wurden. Deutschland,
England und die
USA sollten keine Waffen an die Türkei liefern,
weil diese Waffen
gegen die Kurden gerichtet werden.
Die Türkei ist wirtschaftlich am Ende. Ohne
die Unterstützung der
USA und ohne den Drogenschmuggel würde sie
ökonomisch nicht
weiterkommen und wäre bald pleite. Das ist
nicht das erste Mal, daß
ich mit der Unterdrückung durch den türkischen
Staat konfrontiert
bin.
Ich komme aus Dersim in Kurdistan. Ich habe den Aufstand
1938 in
Dersim miterleben müssen. Damals wurden 80
000 Menschen
niedergemetzelt, Zehntausende hingerichtet. Und
die, die überlebt
haben, werden, was vor 60 Jahren geschah, nicht
vergessen. Die
Saat, die damals gesät wurde, trägt jetzt
Früchte.
Interview: Cyrus Salimi-Asl, Rom