Tansu Ciller übt Kritik an Staatspräsident Demirel
(sda/rk) Die konservative türkische Oppositionspolitikerin
Tansu Ciller hat in Ankara die Koalitionsangebote des mit der Regierungsbildung
beauftragten amtierenden Vize-Regierungschefs Bülent Ecevit abgelehnt.
Ciller sagte nach dem einstündigen Gespräch mit Ecevit, sie
sei dagegen, dass ihre Partei des Rechten Weges DYP zur „Stütze“ oder
zum „Flickmaterial“ der durch ein Misstrauensvotum gestürzten Regierung
werde. Die endgültige Entscheidung der Führungsgremien ihrer
Partei werde sie Ecevit bis Donnerstag mitteilen.
Ciller forderte eine „Koalition des nationalen Konsens auf breiter
Basis“ unter Beteiligung zumindest der fünf Parteien mit einer Fraktion
im Parlament. Grundsätzlich sei sie nicht gegen den Auftrag an Ecevit.
Kritik an Demirel
Ciller kritisierte aber Staatspräsident Süleyman Demirel.
Er habe im Widerspruch zur Parlaments-Arithmetik und „demokratischen Bräuchen“
den Vorsitzenden der viertstärksten Partei mit der Bildung der 56.
Regierung der Türkei beauftragt.
Ciller sagte, der amtierende Ministerpräsident Mesut Yilmaz sei
„nicht aus politischen Gründen“ gestürzt worden. Vielmehr sei
die Koalition zwischen seiner Mutterlandspartei Anap mit Ecevits Demokratischer
Linkspartei DSP und der kleinen konservativen Demokratischen Türkei-Partei
DTP wegen „Seilschaften und Verbindungen zur Mafia“ gestürzt worden.
„Deshalb stehen wir in der historischen Verantwortung, eine solche Regierung
nicht als Stütze zu retten“, fügte Ciller hinzu.
Ecevit hatte zuvor gesagt, dass er als eine „realistische Lösung“
eine Koalition seiner DSP mit der DYP und der Anap befürworte. Eine
solche Koalition würde mit 296 Sitzen über eine komfortable Mehrheit
im Parlament mit 550 Sitzen verfügen und vor den vorzeitigen Wahlen
am 18. April innen- und aussenpolitische Probleme entschlossen in die Hand
nehmen.
Ecevit würde Rechtskoalition unterstützen
Ecevit sagte weiter, er habe Ciller auch angeboten, im Falle einer
Rechtskoalition zwischen der DYP und der Anap würde diese von seiner
DSP unterstützt.
Der erste Versuch einer Rechtskoalition war im Frühjahr 1996 am
Kompetenzgerangel zwischen Ciller und Yilmaz sowie an deren Anspruch auf
die Führungsrolle rechts vom politischen Zentrum gescheitert.