Italien bemüht sich weiter um Abschiebung Öcalans
Rom/Ankara (dpa) - Italien bemüht sich weiterhin, den kurdischen
Separatisten-Führer Abdullah Öcalan abzuschieben. Italienische
Zeitungen meinten am Sonntag, die Abschiebung stehe „unmittelbar bevor“.
Als mögliches Zielland wurde Libyen genannt.
Es wurde darauf verwiesen, daß Ex-Staatspräsident Francesco
Cossiga jüngst zu Gesprächen nach Tripolis gereist ist.
Allerdings wies die römische Polizei am Samstag Spekulationen
zurück, der Chef der kurdischen Arbeiterpartei PKK sei bereits unter
strengster Geheimhaltung außer Landes gebracht worden. Zugleich hatte
der Papst in seiner Weihnachtsansprache ausdrücklich Kurden unter
den Gläubigen auf dem Petersplatz begrüßt.
Gerüchte über eine Ausweisung Öcalans hatten Italien
über Weihnachten in Atem gehalten. Das Haus Öcalans in Ostia
vor den Toren Roms wird Tag und Nacht von Journalisten umlagert. Beobachter
erwarten, daß Öcalan in einer Nacht- und Nebelaktion per Flugzeug
außer Landes gebracht wird.
Allerdings haben bereits zahlreiche Staaten abgesagt, Öcalan aufzunehmen.
So seien aus skandinavischen und anderen europäischen Ländern
Absagen gekommen. Zeitweise hieß es, die italienische Regierung verhandele
mit Balten-Staaten und Rußland. Öcalan war am 12. November aus
Moskau in Italien eingereist. Auch Libyen habe bereits bei einer ersten
Bitte vor Wochen abgelehnt, hieß es.
Nachdem Deutschland trotz eines Haftbefehls wegen Mordes auf eine Auslieferung
verzichtet hatte, hatte Ministerpräsident Massimo D’Alema in der vergangenen
Woche erstmals offen eine Abschiebung angedeutet. In Kreisen um Öcalan
hieß es, wahrscheinlich werde er noch vor Neujahr ausgewiesen.
Die Suche nach einem Aufnahmeland wird durch die Forderung Öcalans
nach Sicherheitsgarantien erschwert. Er fürchtet in einem anderen
Land Anschläge auf sein Leben. Außerdem will er sicher sein,
daß er von dort aus nicht später doch an die Türkei ausgeliefert
wird.
Die Türkei macht ihn für 30 000 Tote in 15 Jahren Terrorismus
im Zuge des Kurden-Krieges verantwortlich. Der türkische Staatspräsident
Süleyman Demirel plädierte am Samstag gegen die Abschaffung der
Todesstrafe. „Bei so vielen Opfern, die der Terrorismus gefordert hat,
kann die Todesstrafe nicht abgeschafft werden. Dazu sind Staat und Gesellschaft
noch nicht bereit.“ Die Regierung in Rom lehnt die von Ankara geforderte
Auslieferung ab, weil in der Türkei die Todesstrafe besteht.
Der Rechtsvertreter der türkischen Regierung in Rom verlangte,
Öcalan vorerst nicht in ein Drittland ausreisen zu lassen. Zuerst
müsse in Italien über den türkischen Auslieferungsantrag
entschieden werden. Die römische Justiz will darüber im Januar
beraten.