Annäherung zwischen Kairo und Ankara
Ägypten will die Türkei fester an die arabische Welt binden
Die beiden letzten Besuche des ägyptischen Präsidenten
Mubarak in Ankara haben zu einem deutlichen Aufschwung in den türkisch-ägyptischen
Beziehungen geführt. Während Mubaraks Blitzbesuch im Oktober
der Rettung des Friedens zwischen der Türkei und Syrien gegolten hatte,
war die Reise im Dezember ein seit Monaten geplanter Staatsbesuch.
ber. Kairo, im Dezember
Der ägyptische Präsident Mubarak ist kein seltener Gast in
Ankara, ebensowenig wie der türkische Staatspräsident Demirel
in Kairo. Innerhalb der letzten drei Jahre haben sich die beiden Staatschefs
sechsmal getroffen. In den vergangenen Monaten intensivierten sich die
Besuche. Im vergangenen Oktober reiste der ägyptische Präsident
nach Ankara, um zwischen der Türkei und Syrien zu vermitteln, nachdem
der Krieg der Worte zwischen den beiden seit langem verfeindeten Nachbarländern
gefährliche Proportionen angenommen hatte. Mubaraks Reise im Dezember
nach Ankara war hingegen der erste Staatsbesuch des ägyptischen Präsidenten
in der Türkei.
Dessen Zweck war es, die bestehenden bilateralen Beziehungen zu vertiefen.
Lange gemeinsame Geschichte
Laut dem ägyptischen Vizeaussenminister für europäische
Angelegenheiten, Fathi ash-Shazli, gibt es zahlreiche Gründe für
den Wunsch Kairos, die Beziehungen zur Türkei auszubauen. Er verweist
zunächst auf die gemeinsame Geschichte. Ägypten war von 1517
bis zum Ende des 18. Jahrhunderts Teil des Osmanischen Reichs. Einerseits
wird die türkische Fremdherrschaft bis heute häufig als Zeit
der Ausbeutung und des Niedergangs dargestellt. Andrerseits ist aus jener
Epoche die Vermischung mit den Türken durch Einheirat nicht wegzudenken.
Diese war auf Grund des gemeinsamen islamischen Glaubens möglich.
Die türkische Fremdherrschaft wird in einem positiveren Licht gesehen
als die spätere Besetzung durch die Engländer.
Laut ash-Shazli spielen neben der gemeinsamen Vergangenheit die Grösse
und das politisches Gewicht der beiden Mittelmeerländer die Hauptrolle
beim Ziel, die politischen Kontakte zu vertiefen. Ägypten war in seiner
langen Geschichte nur in den achtziger Jahren nach seinem Separatfrieden
mit Israel innerhalb der arabischen Welt isoliert. Seither spielt es eine
führende Rolle bei der Förderung des Friedensprozesses und bei
der Verständigung unter den Arabern. Nicht zuletzt spiegelt sich das
im Kairoer Wolkenkratzer des Aussenministeriums wider. Mit seinen 3000
Angestellten und den angeschlossenen 150 Botschaften und Konsulaten im
Ausland betreibe Kairo die aktivste Aussenpolitik der arabischen Welt,
erklärt der Vizeminister. Diese Politik verfolge zwei Ziele: die Schaffung
und Verstärkung des Friedens in der Region und zweitens deren politische
und wirtschaftliche Entwicklung.
Gegengewicht zu Israel
Diese Zielsetzung wird dadurch eingeschränkt, dass Ägypten
grundsätzlich den arabischen Ländern stärker verpflichtet
ist als etwa der Türkei. So gab Mubarak Syrien zwar zu verstehen,
dass dessen Unterstützung der PKK der Hilfestellung von Terroristen
gleichkomme. Gleichzeitig liess er aber in Ankara keinen Zweifel daran,
dass die Türken einen dauerhaften Frieden mit Syrien nur haben könnten,
wenn sie die Wasserfrage gerecht lösten. Den dritten Streitpunkt dagegen,
die sich in jüngster Zeit verstärkenden türkisch-israelischen
Beziehungen, spielten Mubarak und sein Aussenminister herunter. Nach der
letzten Israelreise des türkischen Regierungschefs Yilmaz war die
Weiterentwicklung der Zusammenarbeit der beiden Länder vereinbart
worden. Diese hatte 1996 mit einem Vertrag zur militärischen Kooperation
ihren Anfang genommen und sich rasch zu einer strategischen Partnerschaft
entwickelt. Laut der ägyptischen Diplomatie liegt darin keine Gefahr,
solange der Friedensprozess planmässig weiterläuft. Solche und
ähnliche Abkommen könnten im Gegenteil Israel bei seiner Integration
im Nahen Osten helfen, für die es letztlich keine Alternative gebe.
Was die Diplomaten verschwiegen, sagte die ägyptische Presse um
so deutlicher. Mit der Vertiefung der Beziehungen zwischen Ägypten
und der Türkei solle ein Gegengewicht zur türkisch- israelischen
Militärallianz und der von Amerika bevorzugten Achse Türkei -
Israel - Jordanien gebildet werden., hiess es in den Leitartikeln. Der
ägyptische Staatsbesuch und die daraus resultierenden Abkommen würden
die Bemühungen Israels neutralisieren, die islamische Welt zu spalten.
Der türkische Botschafter in Kairo bestätigte, dass ein Grund
für die stärker werdende Bindung der Türkei an Israel in
der Furcht liege, in der arabischen Welt zunehmend isoliert zu werden.
Verdoppelung des Handelsvolumens
Neben mehreren Ministern begleitete auch eine grosse Delegation ägyptischer
Geschäftsleute Mubarak nach Ankara. Ihr gehörten die sieben wichtigsten
ägyptischen Unternehmer an. Laut ash-Shazli ist man zur Überzeugung
gelangt, dass Handel und wirtschaftliche Abkommen ebenfalls der Erhaltung
des Friedens dienten und die Entwicklung der Region beeinflussten. Ägypten
hat im vergangenen Jahr an die Türkei Waren im Gesamtwert von 305
Millionen Dollar geliefert und türkische Güter im Wert von 284
Millionen Dollar importiert. Als neues Ziel wurde deklariert, den gegenseitigen
Warenverkehr im kommenden Jahren auf eine Milliarde und bis 2005 auf zwei
Milliarden zu erhöhen. Damit würde die Türkei zu Ägyptens
wichtigstem Handelspartner noch vor Saudiarabien werden. Auch sind Freihandelszonen
am Schwarzen Meer beziehungsweise in Suez geplant, die für die Türkei
den afrikanischen und für Ägypten den zentralasiatischen Markt
erschliessen sollen. Diskutiert wurde ausserdem die Schaffung einer Gaspipeline
von Alexandria quer durchs Mittelmeer zur türkischen Küste. Ägypten
sucht bereits seit längerer Zeit nach einem Abnehmer für seine
reichen Erdgasvorkommen.