Aus Deutschland abgeschoben, in der Türkei verurteilt
Einem Kurden, der aus der türkischen Armee desertiert war,
wurde in Deutschland nicht geglaubt. In der Türkei wurde der Mann
kürzlich zu zweieinhalb Jahren Gefängnis verurteilt
Berlin (taz) - Weil deutsche Verwaltungsrichter seine Angaben als erfunden
einstuften und seine Dokumente für gefälscht hielten, ist ein
kurdischer Deserteur nach seiner Abschiebung in die Türkei zu zweieinhalb
Jahren Gefängnis verurteilt worden.
Jetzt droht ihm auch noch in der Türkei eine Anklage wegen Separatismus,
weil er seine Kriegsdienstverweigerung mit Menschenrechtsverletzungen der
türkischen Armee in Kurdistan begründet hatte.
Abdulmenaf Düzenli, seine schwangere Frau und seine drei kleinen
Kindern waren am 14. Juli dieses Jahres aus dem Kirchenasyl heraus in die
Türkei abgeschoben worden, nachdem das Asylgesuch abgelehnt worden
war. Nach Angaben des Niedersächsischen Flüchtlingsrates wurde
Düzenli sofort nach seiner Ankunft in Istanbul von den Militärbehörden
verhaftet. Ende November wurde er vom Militärgericht in Izmir wegen
Fahnenflucht zu zweieinhalb Jahren Gefängnis verurteilt. Inzwischen,
so berichten die Anwälte Düzenlis, sei auch eine Anklage wegen
Separatismus gegen ihn erhoben, denn der Kriegsdienstverweigerer hatte
von Deutschland aus die Gründe für seine Desertion mehrfach schriftlich
kundgetan. Dafür droht ihm eine weitere Verurteilung bis zu drei Jahren.
Seit dieser Anklage sitze Düzenli in Isolationshaft und sei militärischem
Drill unterworfen, berichten seine Anwälte in der Türkei. Noch
am Tag seiner Abschiebung hatte das zuständige Verwaltungsgericht
im rheinland-pfälzischen Neustadt in einem Eilverfahren geurteilt,
Düzenli drohe in der Türkei keine politische Verfolgung. Dokumente,
mit denen der Kriegsdienstverweigerer darauf hingewiesen hatte, daß
gegen ihn bereits ein Verfahren wegen Separatismus beim Staatssicherheitsgericht
in Diyabarkir eingeleitet sei, werteten die Richter ohne genaue Prüfung
der Unterlagen als Fälschung.
Auch wollten sie ihm nicht glauben, daß er nach dreimonatigem
Militärdienst heimlich seine Einheit verlassen habe und bis zu seiner
Flucht nach Deutschland fast drei Jahre lang in der Türkei untergetaucht
sei.
Der Niedersächsische Flüchtlingsrat kritisiert in diesem
Zusammenhang die gängige deutsche Rechtsprechung, die das Vorgehen
der türkischen Behörden gegen Deserteure und Kriegsdienstverweigerer
nicht als politische Verfolgung, sondern als legitime Ahndung einer Straftat
wertet.
Im Gegensatz dazu hat das höchste Gericht in den Niederlanden
mehrfach entschieden, daß „Kriegsdienstverweigerung aufgrund der
Angst, gegen das eigene Volk oder die Familie eingesetzt zu werden ...
ein Grund für die Anerkennung des Flüchtlingsstatus“ sein kann.
Vera Gaserow