USA registrieren keine Flüge irakischer Maschinen
15 Demonstranten vor dem Weißen Haus festgenommen
Washington. Die USA und Großbritannien haben bisher keine Flüge
irakischer Maschinen in den Flugverbotszonen registriert, wie Sprecher
der
Verteidigungsministerien mitteilten. Beide Regierungen erklärten
aber, daß sie das Verbot irakischer Flugbewegungen in den beiden
Zonen im Norden und Süden
Iraks durchsetzen wollten. Zuvor hatte die Führung in Bagdad erklärt,
Irak würde sich nicht an das Verbot halten und auf feindliche Maschinen
feuern.
Am Montag war es zu Gefechten zwischen irakischen Stellungen und US-Kampfflugzeugen
gekommen. Dabei wurden vier irakische Soldaten getötet. Die Zonen
wurden nach dem Golfkrieg zum Schutz von Kurden und Schiiten gegen
Luftangriffe irakischer Flugzeuge eingerichtet. Vor dem Weißen Haus
in Washington wurden
am Dienstag 15 Demonstranten festgenommen, die gegen die Irakpolitik
der USA protestierten. Nach Polizeiangaben blockierten die Demonstranten
den Gehweg
vor dem Sitz des US-Präsidenten und versprühten eine rote
Substanz. Weitere Demonstranten, die sich in der Nähe aufhielten,
forderten in Sprechchören ein Ende
der UN-Sanktionen gegen das arabische Land.
Rückkehr zur Politik
Die USA und ihr Knappe Großbritannien sollten zurückkehren
zu einer von der Weltgemeinschaft getragenen Politik
Von Katharina Sperber
Wie peinlich. Jetzt müssen hohe US-Militärs dementieren,
daß die irakische Luftabwehr eines ihrer Flugzeuge abgeschossen hat.
War die Operation „Wüstenfuchs“ nicht dazu bestimmt, Iraks Diktator
zu zwingen, allen Auflagen der Vereinten Nationen nachzukommen? Das Gegenteil
ist eingetreten, Saddam Hussein läßt die Waffeninspektoren nicht
mehr ins Land und schert sich einen Teufel um die von den Alliierten im
zweiten Golf-Krieg bestimmten Flugverbotszonen.
Saddam weiß, daß die UN das Flugverbot still akzeptierten,
um die Kurden im Norden Iraks und die Schiiten im Süden vor seinen
Angriffen zu schützen. Jetzt, wo die Irak-Politik der UN dahin ist,
kann Saddam darauf bauen, daß sich Mitglieder des Sicherheitsrates
der anglo-amerikanischen Interpretation des quasi von den UN gedeckten
Flugverbots nicht mehr anschließen.
Wieso führt die einzige Supermacht so verbissen diesen Krieg gegen
Saddam, der 21 Millionen Iraker dabei als Geiseln nimmt? Um wenigstens
dem Eindruck zu wehren, die USA rührte letzteres nicht, müht
sich US-Präsident Bill Clinton, seit Tagen irgendeinen Sinn in das
Vorgehen der anglo-amerikanischen Allianz hineinzureden. Ohne Erfolg. Die
arabischen Verbündeten rücken ab, verborgen hinter durchsichtigen
Verbal-Attacken des ägyptischen Präsidenten gegen Irak, der allen
Grund hat, den USA für materielle und ideelle Unterstützung gegen
die Islamisten am Nil dankbar zu sein.
Washington bekommt mit Nachdruck eine Frage auf den Tisch, die US-Politiker
nicht gern hören mögen, schon gar nicht laut. Sogar in Saudi-Arabien
fragen Journalisten (die selbstredend nicht unabhängig vom Herrscherhaus
denken, sonst wären sie dort ja keine Reporter): Warum darf Israel
UN-Resolutionen ungestraft brechen, während die USA gegen Irak kein
Pardon kennen? Diese anschwellende Unzufriedenheit sollten die USA, mit
ihren sogenannten vitalen Interessen an Erdöl und -gas im Nahen Osten
nicht kalt lassen. Die befreundeten Monarchen, Diktatoren und die semi-demokratisch
gewählten Politiker herrschen über Untertanen, die in ihrer Mehrheit
Saddam als Held sehen. Washington kann nicht wissen, wie sich diese Herren
entscheiden werden, ist deren Macht erst bedroht.
Die USA schütten derzeit im Überfluß Öl ins Feuer
und gefährden damit die Sicherheit Israels, die sie vorgeben zu schützen.
Clinton kann man kein glückliches Händchen in der Nahost-Politik
nachsagen. Vieles hat er versucht, alles ist gescheitert: Frieden bleibt
nicht nur zwischen Israel und Palästinensern, sondern in der ganzen
Region ein Fremdwort.
Die USA und ihr Knappe Großbritannien sollten zurückkehren
zu einer von der Weltgemeinschaft getragenen Politik. Franzosen, Russen
und Chinesen sowie die Nachbarn Iraks sind an Geschäften interessiert.
Deswegen reden sie normalen Beziehungen zu Saddam das Wort. Auch ihnen
geht es um sogenannte vitale Interessen. Moskau beispielsweise möchte
die Schulden Bagdads eintreiben, weil in Rußland jeder Dollar gelegen
kommt.
So einfach aber sollte der Massenmörder nicht zurückkehren
dürfen auf die internationale Bühne. Auch eine politisch-diplomatische
Lösung des Konflikts muß bessere Ziele kennen, als allein den
Reibach. Kann Saddam aber damit rechnen, daß die Sanktionen gegen
sein Land gelockert werden, wenn er sich wohl und den internationalen Gepflogenheiten
entsprechend verhält (dazu gehört Abrüstung, in dem Maße,
wie sie international überhaupt zu überwachen ist), dann wird
er sich - unberechenbar gewiß - aber doch mühen, weil sein Gewinn
beträchtlich wäre: Er reüssiert innen- und außenpolitisch,
ohne Macht einzubüßen.
Kein unwichtiger Nebeneffekt: den Irakerinnen und Irakern wird es ein
klein wenig besser gehen. Und erinnern wir uns: Vor Saddams Überfall
auf Kuwait und die folgende achtjährige Abrüstung unter Sanktionen
war Irak kein rückständiger Felachenstaat, sondern ein modernes
Industrieland, unter Militärherrschaft zwar, aber mit einer Alphabetisierungsquote
und Frauenrechten, von denen die Menschen in Saudi-Arabien oder Jordanien
nur träumen dürfen.
Soll das heißen, mit Saddam, die politische Lösung vorantreiben?
Ja! Es gibt derzeit keine andere Möglichkeit und eröffnet vielleicht
einer Opposition überhaupt etwas Luft zum Atmen.
Das geht nicht? Doch: Die USA haben ein gutes Beispiel geliefert. Der
syrische Diktator Hafis al-Assad wurde vor acht Jahren von der Liste der
internationalen Terroristen gestrichen, weil er sich auf die Seite der
Anti-Saddam-Koalition schlug. Hafis al-Assad! Ein Mann, der die islamistische
Opposition blutig zu Tausenden metzelte, der mit Geheimdiensten und Militär
Syrien unter seiner Knute hält, der sich Libanon nach dem Bürgerkrieg,
den er kräftig schürte, einverleibte, der fast täglich Israel
mit Katjuscha-Raketen angreifen läßt, via Hisbollah in Südlibanon.
Wodurch unterscheidet sich denn Hafis al-Assad von Saddam Hussein? Der
eine wurde, als es opportun war, zum good guy erklärt, während
der andere ewig der böse Bube bleiben soll? Das kann niemand ernsthaft
Politik nennen.